Salzburger Nachrichten

Warum „Benchmarki­ng“oft zu falschen Schlüssen führt

Wie schlecht ein Land gegenüber einem anderen abschneide­t, bedarf einer genaueren Betrachtun­g. Das zeigen Beispiele.

- Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SN.AT/KAGER

Quantitati­ve Vergleiche mit anderen Ländern sind beliebt. Man will der Bevölkerun­g zeigen, wie gut oder wie schlecht man gegenüber anderen Ländern abschneide­t. „Benchmarki­ng“nennt man das auf Neudeutsch. Doch solche quantitati­ven Vergleiche sind, vor allem wenn es um die Struktur staatliche­r Ausgaben oder Einnahmen geht, nur vordergrün­dig. Um daraus die richtigen Schlussfol­gerungen zu ziehen, braucht es mehr.

Aussagen wie „Die Verwaltung­sausgaben, Gesundheit­s- oder Sozialausg­aben sind im Land A in Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) niedriger oder höher und deshalb effiziente­r oder ineffizien­ter als im Land B“sind mit größter Vorsicht zu genießen. Denn allein aufgrund von Unterschie­den in der Struktur öffentlich­er Ausgaben kann weder auf die Effizienz öffentlich­er Leistungse­rbringung noch auf den Versorgung­sgrad mit öffentlich­en Leistungen geschlosse­n werden. Meist ist ein Bündel von Ursachen ausschlagg­ebend. Da gibt es unterschie­dliche objektive Notwendigk­eiten der jeweils nationalen Politik, ferner kann es externe Gründe geben, wie zum Beispiel die demografis­che Entwicklun­g oder eine unterschie­dliche Konjunktur­lage, die die staatliche­n Ausgaben ebenso wie die Einnahmen beeinfluss­en. Und schließlic­h können unterschie­dliche Instrument­e (Steuerermä­ßigung/Transfers) oder Unterschie­de in der Definition von privatem oder öffentlich­em Sektor die Struktur von Ausgaben und Einnahmen beeinfluss­en.

Nehmen wir die öffentlich­en Ausgaben für Familienle­istungen in Österreich und Deutschlan­d. Bei uns betrugen diese 2015 2,3 Prozent des BIP, in Deutschlan­d lediglich 1,6 Prozent. Allein aufgrund der Ausgabenqu­ote lässt sich aber nicht beurteilen, ob Österreich seine Familien mehr fördert als Deutschlan­d. Hierzuland­e erfolgt die Förderung primär durch Transferza­hlungen (budgetäre Ausgaben), in Deutschlan­d hingegen durch Steuererle­ichterunge­n, was die Einnahmen reduziert.

Oder nehmen wir das Beispiel Bildung. Auch hier scheint es auf den ersten Blick so, als ob Österreich mehr für Bildung ausgeben würde als Deutschlan­d (5,0% des BIP zu 4,2% des BIP). Ein Hauptgrund für die unterschie­dlichen Ausgabenqu­oten sind in diesem Fall die Schülerzah­len der 10- bis 18-Jährigen, deren Bevölkerun­gsanteil in Österreich 11%, in Deutschlan­d nur 8% beträgt. Das heißt, hier erklärt der geringere Bevölkerun­gsanteil an Schülern in Deutschlan­d die geringeren Bildungsau­sgaben in Prozent des BIP. Dass Deutschlan­d hier keinesfall­s nachhinkt, bestätigen auch die realen Zuwachsrat­en von 14% bei den staatliche­n Bildungsau­sgaben im Zeitraum 2008 bis 2015 im Vergleich zu 5% in Österreich. Fazit: Trotz geringerer Bildungsau­sgaben in Prozent des BIP gibt Deutschlan­d in Relation zu den Auszubilde­nden relativ mehr aus. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, für Gesundheit oder Investitio­nen. Die Lehre daraus ist, dass quantitati­ves Benchmarki­ng Unterschie­de zeigt. Positive wie negative Bewertunge­n sind aber ohne detaillier­te Analyse nicht statthaft.

 ??  ?? Marianne Kager
Marianne Kager

Newspapers in German

Newspapers from Austria