Warum „Benchmarking“oft zu falschen Schlüssen führt
Wie schlecht ein Land gegenüber einem anderen abschneidet, bedarf einer genaueren Betrachtung. Das zeigen Beispiele.
Quantitative Vergleiche mit anderen Ländern sind beliebt. Man will der Bevölkerung zeigen, wie gut oder wie schlecht man gegenüber anderen Ländern abschneidet. „Benchmarking“nennt man das auf Neudeutsch. Doch solche quantitativen Vergleiche sind, vor allem wenn es um die Struktur staatlicher Ausgaben oder Einnahmen geht, nur vordergründig. Um daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, braucht es mehr.
Aussagen wie „Die Verwaltungsausgaben, Gesundheits- oder Sozialausgaben sind im Land A in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) niedriger oder höher und deshalb effizienter oder ineffizienter als im Land B“sind mit größter Vorsicht zu genießen. Denn allein aufgrund von Unterschieden in der Struktur öffentlicher Ausgaben kann weder auf die Effizienz öffentlicher Leistungserbringung noch auf den Versorgungsgrad mit öffentlichen Leistungen geschlossen werden. Meist ist ein Bündel von Ursachen ausschlaggebend. Da gibt es unterschiedliche objektive Notwendigkeiten der jeweils nationalen Politik, ferner kann es externe Gründe geben, wie zum Beispiel die demografische Entwicklung oder eine unterschiedliche Konjunkturlage, die die staatlichen Ausgaben ebenso wie die Einnahmen beeinflussen. Und schließlich können unterschiedliche Instrumente (Steuerermäßigung/Transfers) oder Unterschiede in der Definition von privatem oder öffentlichem Sektor die Struktur von Ausgaben und Einnahmen beeinflussen.
Nehmen wir die öffentlichen Ausgaben für Familienleistungen in Österreich und Deutschland. Bei uns betrugen diese 2015 2,3 Prozent des BIP, in Deutschland lediglich 1,6 Prozent. Allein aufgrund der Ausgabenquote lässt sich aber nicht beurteilen, ob Österreich seine Familien mehr fördert als Deutschland. Hierzulande erfolgt die Förderung primär durch Transferzahlungen (budgetäre Ausgaben), in Deutschland hingegen durch Steuererleichterungen, was die Einnahmen reduziert.
Oder nehmen wir das Beispiel Bildung. Auch hier scheint es auf den ersten Blick so, als ob Österreich mehr für Bildung ausgeben würde als Deutschland (5,0% des BIP zu 4,2% des BIP). Ein Hauptgrund für die unterschiedlichen Ausgabenquoten sind in diesem Fall die Schülerzahlen der 10- bis 18-Jährigen, deren Bevölkerungsanteil in Österreich 11%, in Deutschland nur 8% beträgt. Das heißt, hier erklärt der geringere Bevölkerungsanteil an Schülern in Deutschland die geringeren Bildungsausgaben in Prozent des BIP. Dass Deutschland hier keinesfalls nachhinkt, bestätigen auch die realen Zuwachsraten von 14% bei den staatlichen Bildungsausgaben im Zeitraum 2008 bis 2015 im Vergleich zu 5% in Österreich. Fazit: Trotz geringerer Bildungsausgaben in Prozent des BIP gibt Deutschland in Relation zu den Auszubildenden relativ mehr aus. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, für Gesundheit oder Investitionen. Die Lehre daraus ist, dass quantitatives Benchmarking Unterschiede zeigt. Positive wie negative Bewertungen sind aber ohne detaillierte Analyse nicht statthaft.