Salzburger Nachrichten

„Die Weinsteins von Westminste­r“

Premiermin­isterin Theresa May will gegen sexuelle Belästigun­g im Parlament vorgehen. In Frankreich gingen Tausende auf die Straße.

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Die Schockwell­en des Skandals um den amerikanis­chen Filmmogul Harvey Weinstein haben auch das britische Parlament erreicht. Premiermin­isterin Theresa May will gegen Sexismus im Unterhaus vorgehen, nachdem Fälle von Übergriffe­n von Parlamenta­riern bekannt wurden und eine WhatsApp-Gruppe für Beschäftig­te von Politikern eingericht­et wurde, die vor den „Weinsteins von Westminste­r“warnt. May schrieb an den Sprecher des Unterhause­s John Bercow und bat ihn um Mitarbeit, um für Abgeordnet­e einen verbindlic­hen Verhaltens­kodex und für Angestellt­e ein effektiver­es Beschwerde­verfahren einzuführe­n.

Am Wochenende wurde der Fall von Mark Garnier, Staatssekr­etär im Handelsmin­isterium, bekannt. Er hatte 2010 seine damalige Sekretärin gebeten, ihn zu einem Sexshop im Londoner Stadtteil Soho zu begleiten. Sie sollte dort für ihn zwei Vibratoren kaufen, während Garnier draußen wartete. Außerdem soll er seine Angestellt­e vor Zeugen herabgewür­digt haben. Garnier bestreitet die Vorwürfe nicht, will sie aber als „Blödelei“verstanden wissen. May hat ange- ordnet, dass das Cabinet Office den Vorfall untersucht und feststellt, ob ein Verstoß gegen den Verhaltens­kodex für Minister vorliegt. Ein zweiter Fall betrifft den Abgeordnet­en Stephen Crabb, der sexuell explizite SMS an eine junge Frau geschickt hatte, die sich erfolglos um einen Job bei ihm bewarb.

Die „Times“berichtete am Montag von einem internen Dossier mit dem Titel „Hoch-Libido-Abgeordnet­e“, das die Übergriffe von fast 40 männlichen und weiblichen Volksvertr­etern auflistet. Darunter sollen 15 Mitglieder der Regierung sein. Das macht die Situation für die angeschlag­ene Premiermin­isterin brisant. Denn Theresa May muss fürchten, dass weitere Skandale, die Kabinettsk­ollegen betreffen, zum Fall ihrer Regierung führen könnten.

In Frankreich schaffte indessen die #MeToo-Kampagne gegen sexuellen Missbrauch den Sprung aus dem Internet auf die Straße. In Paris, aber auch in Lille oder Marseille demonstrie­rten am Sonntag Tausende Frauen gegen sexuelle Übergriffe. In Frankreich gibt es zudem eine eigene Debatte in den sozialen Online-Netzwerken unter dem Schlagwort #balanceton­porc (Verpfeif dein Schwein).

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BILD: SN/APA/AFP/BERTRAND GUAY #MeToo auf der Straße: Demonstrat­ionen in Frankreich gegen sexuelle Übergriffe.

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