Todeslenker vor Gericht: „Kann mich an Unfall nicht erinnern“
Ein norwegischer Urlauber raste mit einem SUV völlig reaktionslos ins Auto eines Pinzgauers. Dieser starb. Laut Gutachten litt der Norweger zur Tatzeit unter einer Psychose – wie auch schon Jahre zuvor.
Im vollen Gerichtssaal wird es still, als der 42-jährige Norweger von zwei Justizwachebeamten hereingebracht und zu seinem Sessel geführt wird. Der Diplomkaufmann, eher kleingewachsen und mit ergrauter Halbglatze, geht sehr langsam und spricht leise. „Es tut mir unendlich leid, was passiert ist. Ich finde es furchtbar, dass ein junger Mann gestorben ist. Ich möchte mich bei allen seinen Angehörigen und Freunden entschuldigen“, sagt der 42-jährige Norweger vor dem Geschworenensenat (Vorsitz: Richterin Bettina Maxones-Kurkowski). Nachsatz: „An den Unfall kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe erst im Nachhinein erfahren, was ich da angerichtet habe.“
Tatsächlich hat der Norweger damals, am 20. Februar 2017, bei Leogang Schockierendes angerichtet. Mit einem gemieteten, PS-starken BMW X5 raste er auf dem Weg in den Skiurlaub auf der Hochkönig-Bundesstraße bei erlaubtem Tempo 80 mit 150 km/h komplett auf der linken Straßenseite fahrend in den entgegenkommenden Audi A3 eines 24jährigen Einheimischen. Der junge Mann starb noch am Unfallort. Die Angehörigen werden von Opferanwalt Stefan Rieder vertreten. Der Norweger – im BMW saßen auch seine Frau und seine zwei Kinder – war ungebremst und völlig reaktionslos in den Audi gekracht. Dabei hätte er laut Gutachten des Unfallsachverständigen Gerhard Kronreif dem Auto des 24-Jährigen problemlos ausweichen können.
Der 24-jährige starb noch am Unfallort. Sein Wagen war vom SUV 30 Meter zurückgeschleudert worden. Der Norweger wurde schwer verletzt – ebenso wie seine Ehefrau und seine zwei Kinder. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 42-Jährige zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte: „Er hat zuvor schon Autos extrem gefährlich überholt. Er hielt es zumindest ernstlich für möglich, dass er durch sein halsbrecherisches Fahrverhalten jemanden töten kann“, sagt Staatsanwalt Andreas Allex. Letztlich wurde gegen den norwegischen Manager aber keine Anklage wegen Mordes sowie dreifachen Mordversuchs (im Fall der Gattin und der Kinder) erhoben. Weil der 42-Jährige nämlich laut Gutachten der Wiener Neuropsychiaterin Gabriele Wörgötter zur Unfallszeit im Februar „in einem psychotischen Zustand“ und somit zurechnungsunfähig war, beantragte Allex die Einweisung des 42-Jährigen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Bei der Begutachtung durch die Psychiaterin hatte der Norweger gesagt, dass er sich vor dem Horrorunfall „vom Geheimdienst verfolgt“gefühlt habe.
Laut der Krankengeschichte aus Norwegen war der 42-Jährige tatsächlich bereits von Ende 2002 bis Mitte 2003 wegen einer „akuten Psychose“erst in stationärer und dann in ambulanter Behandlung. Dazu der Manager, der jahrelang in Deutschland arbeitete, im Prozess: „Ich habe mich damals auch verfolgt gefühlt. Und total beobachtet.“Fakt ist jedenfalls, dass der 42-Jährige schon Ende 2002 einen Unfall verursacht hatte, indem er einen Baum touchierte und in einen Graben fuhr.
RA Kurt Jelinek, Verteidiger des Norwegers, betonte, sein Mandant habe eine „unfassbare Tragödie“verursacht – allerdings in einem schweren psychotischen Wahn. Er hat nicht schuldhaft gehandelt“. Inzwischen, so Jelinek, sei sein Mandant durch intensive psychiatrische Behandlung „wieder in einem stabilen Zustand“.
Bemerkenswert: Vor der Begutachtung durch Wörgötter wurde der Manager vom Salzburger Neuropsychiater Ernst Griebnitz untersucht. Griebnitz hatte dem 42-Jährigen Zurechnungsfähigkeit attestiert – allerdings hatte ihm dieser nichts von seiner „psychiatrischen Vorgeschichte“erzählt. Heute, Dienstag, wird das Urteil erwartet.
„Es tut mir alles so leid. Aber ich habe an den Unfall keine Erinnerung.“Der Norweger im Prozess