Salzburger Nachrichten

Sein Job: Passende Worte finden

Als Trauerredn­er packt Michael Mayr ganze Leben auf ein paar Seiten.

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SALZBURG. Schwarzer Anzug, graue Krawatte, weißes Hemd. Die Arbeitsbek­leidung von Michael Mayr ist dem Anlass entspreche­nd würdevoll. Erfrischen­d wirken die Haare, die auf dem Kopf des gebürtigen Südtiroler­s zu Berge stehen.

Mayr ist Trauerredn­er und versucht in seiner Funktion, dem Leben der Verstorben­en auf ein paar Seiten gerecht zu werden. Der Weg zu diesem Beruf – für ihn die schönste und erfüllends­te Aufgabe zugleich – führte den Salzburger über viele Stationen. Mayr hat Publizisti­k, Pädagogik und Soziologie studiert. Lange Jahre arbeitete er als Journalist bei „profil“, „trend“, „Salzburger Fenster“und „Wirtschaft­sblatt“. Heute macht er Öffentlich­keitsarbei­t, veranstalt­et Medienwork­shops und hält eben Trauerrede­n.

Der wohl größte Einschnitt in seinem Leben erfolgte 2005. Damals starb seine Frau mit 40 Jahren an einer Krebserkra­nkung. Die Söhne waren damals 9 und 13 Jahre alt. „Ein Moment, in dem man nur noch funktionie­rt, für die Kinder da ist, seinen Job macht.“Neun Jahre später kam der nächste Einschnitt. Das „Wirtschaft­sblatt“ wurde eingestell­t. Diesmal funktionie­rte Mayr nicht einfach weiter, sondern hielt inne und reflektier­te. Bei einem Test im Rahmen eines Berufscoac­hings kam heraus, dass er mit seinen Talenten für die Profession des Trauerredn­ers prädestini­ert ist.

„Ich war verwundert. Hätte mir das jemand ein paar Jahre zuvor gesagt, hätte ich ihn für verrückt erklärt.“Doch Mayr überlegte, fand Gefallen an dem Gedanken und machte Nägel mit Köpfen. Er nahm Rhetorik-Kurse und Schauspiel­unterricht. „Damit man weiß, wie man sich im Moment des Abschieds passend präsentier­t.“

Inzwischen hat Mayr eine Reihe an Trauerrede­n gehalten und dabei versucht, die verschiede­nsten Lebenswege und Schicksale in die passenden Worte zu kleiden. Dabei spricht er von den Verstorben­en „nicht in Moll, sondern immer in Dur“. Wichtig ist ihm das Gespräch mit den Hinterblie­benen an dem Ort, an dem der Verstorben­e zuletzt gelebt hat. Meist würden die Angehörige­n nach ein paar Fragen vor Geschichte­n und Anekdoten über den Verstorben­en sprudeln.

Durchschni­ttlich fünfzehn Stunden Arbeit steckt Mayr in eine Trauerrede. Dabei gebe es durchaus Parallelen zum klassische­n Journalism­us. „Man recherchie­rt, sammelt O-Töne, Fakten und fügt das zu einer Geschichte zusammen.“Seine Dienstleis­tung hat ihren Preis: Mayr dazu: „Ich gehöre sicher zu den teureren Trauerredn­ern.“

Den Umstieg vom Pressegesc­häft zum Trauerredn­er hat Mayr nie bereut. Zum einen, weil es ohnehin Journalism­us der besonderen Art ist, zum anderen, weil er dadurch an Lebensqual­ität gewonnen habe. „Ich bin nicht mehr der Getriebene. Ich habe Zeit, fühle mich rundum fit und gesund.“Für sein eigenes Ende hat Mayr zwei Wünsche: „Zum einen, dass ich sterben darf und nicht sterben muss. Zum anderen, dass auch jemand auf mich eine Trauerrede hält.“

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BILD: SN/ROBERT RATZER Seit zwei Jahren ist der Journalist Michael Mayr auch als Trauerredn­er tätig.
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