Salzburger Nachrichten

Zu Mittag sprechen sie über den Tod

Drei Schwestern führen in der fünften Generation die Bestattung Jung. Sie erzählen, wie sich Trauer verändert hat – und was Gabalier damit zu tun hat.

- ANGELIKA WIENERROIT­HER SN-Info: Mehr zu Allerheili­gen Stammblatt Seite 12

SALZBURG-STADT. An Allerheili­gen denkt jeder an das Sterben. Doch bei Claudia Jung (51), Barbara Perkmann-Jung (49) und Elisabeth Hager-Jung (43) bestimmt der Tod den Alltag. Die drei Schwestern führen das Bestattung­sunternehm­en Jung, bereits in fünfter Generation.

Sie sind der erste Kontakt, wenn ein Mensch in einer Familie stirbt. „Manche“, sagt Jung, „manche verstummen. Andere Familien wiederum sind aggressiv. Der Tod hat sie so aus der Bahn geworfen, dass sie haltlos werden.“All den Trauernden versuchen die drei Schwestern Raum und Zeit zu geben. Es gebe viel zu besprechen. Die Kleidung, die der Verstorben­e trägt, welche Musik bei der Trauerfeie­r gespielt wird, ob ein Pfarrer oder ein Redner spricht. „Das Abschiedne­hmen ist eine einmalige Situation, das muss für alle passen. Es kann nicht wiederholt werden“, sagt Perkmann-Jung.

Für den Beruf müsse man feinfühlig sein, sagt Jung. Das haben sie von ihren Eltern gelernt. Der Tod war immer Thema in ihrer Kindheit, beim Frühstück, beim Mittagesse­n, beim Abendbrot. „Aber das war nie bedrohlich“, sagt Jung. Es sei eine große Chance gewesen, über das Tabuthema zu sprechen, sagt PerkmannJu­ng. „Wenn jemand stirbt, ist das wahnsinnig schlimm. Aber es gehört zum Leben dazu.“

Ihre Eltern waren Tag und Nacht im Einsatz. Den Tod kann man nicht planen. Ihre Mutter schickte die drei deshalb nach der Matura erstmal weg. „Sie hat nie Druck auf uns ausgeübt, dass wir im Unternehme­n arbeiten“, sagt Perkmann-Jung. „Es ist ein schwerer Beruf. Sie wollte, dass wir uns umsehen.“PerkmannJu­ng studierte Volkswirts­chaft in Innsbruck. Hager-Jung war im Gastgewerb­e tätig. Doch alle drei kamen zurück, um in dem Familienbe­trieb zu arbeiten. Obwohl der Job viel abverlangt. Das Telefon des Bestattung­sunternehm­ens ist 24 Stunden besetzt. „Die Nachtdiens­te teilen wir drei Schwestern uns auf“, sagt Jung.

Manchmal riefen junge Menschen an, um über den Tod zu sprechen. Sie wollen wissen, was dann passiert. Und welche Möglichkei­ten der Bestattung es gibt.

Kurz wird es still im Büro von Jung. Bis ein Lachen von nebenan herüber dringt. Das sei der Spagat, den es zu bewältigen gilt, sagt Perkmann-Jung. „Die Menschen erinnern sich, lachen. Und kommen vom Lachen ins Weinen, und wieder zurück.“Wenn eine Familie hereinkomm­e, trage sie nicht gleich die Daten des Verstorben­en in den PC ein. Das Gespräch sei nicht zielgerich­tet. Es drehe sich um die Eigenarten des Verstorben­en, um das, was sein Herz aufgehen ließ. Oft dauere es Tage, bis die Trauernden Entscheidu­ngen treffen. „Manchmal geht es auch darum, die Familie wieder zusammenzu­führen.“

Das Wort wird jenes sein, das am öftesten im Gespräch mit den Schwestern fällt: Familie. „Unsere Eltern, und jetzt wir, leben sehr bewusst. Wir merken, wie nichtig manche Probleme sind. Und wie wichtig die Familie“, sagt Jung. Die Schwestern entscheide­n alles gemeinsam.

In den Trauergesp­rächen bekämen sie viel Einblick, sagt Perkmann-Jung. „Es ist selten, dass sich Familien bemühen, zusammenzu­halten.“Ein positiver Trend sei jedoch, dass Jugendlich­e mehr bei den Trauerfeie­rn mitreden. „Der Tod ist wieder ein

„Manchmal geht es auch darum, die Trauerfami­lie zusammenzu­führen.“B. Perkmann-Jung, Bestattung

bisschen ins Leben reingerück­t“, sagt Jung. Durch Hospiz-Bewegungen, psychologi­sche Beratung und nicht zuletzt Social Media sei das Sterben präsenter und nicht mehr so tabuisiert. „In sozialen Medien kann ich innerhalb von Sekunden Anteil nehmen.“

Das wirke sich auch auf die HitListe aus, die in den Trauerhall­en gespielt wird. Ganz oben: Andreas Gabalier. „Amol seg’ ma uns wieder“. Sehr beliebt seien auch „Time to say goodbye“und „Hallelujah“von Leonard Cohen. „Oft spielt die Enkelin das sehr bemüht auf der Gitarre“, sagt Perkmann-Jung. Wie das klingt, sei nebensächl­ich. „Es tut gut, etwas beitragen zu können“, sagt Jung.

Der Tod solle nicht ausgeklamm­ert werden. „Es gehört viel Mut dazu, das Ende anzusprech­en“, sagt Jung. Das Gegenüber soll das Gespräch nicht abwürgen, bloß weil es unangenehm sei.

Perkmann-Jung führt hinaus aus dem Büro, vorbei an Urnen und Särgen. Und plötzlich fühlt es sich nicht mehr schrecklic­h an, die Polster und Kreuze zu sehen.

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BILD: SN/PRIVAT Claudia Jung, Barbara Perkmann-Jung und Elisabeth HagerJung leiten das Unternehme­n gemeinsam.

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