Neue Regeln für Ausländer?
Die Migration und ihre Folgen waren das Megathema des Wahlkampfs. Nun darf man gespannt sein, welche angekündigten Verschärfungen umgesetzt werden. Und wie. Das gilt insbesondere für die Mindestsicherung.
WIEN. Grenzkontrollen, Deutsch vor Schuleintritt, keine Zuwanderung ins Sozialsystem und, und, und: Das Ausländerthema bestimmte den Wahlkampf. Nun stellt sich die Frage, welche der vielen Ankündigungen umgesetzt werden. Mindestsicherung: Weniger Sozialhilfe für Menschen, die noch nie ins Sozialsystem eingezahlt haben – also vor allem Asyl- und Schutzberechtigte –, war eines der zentralen Wahlversprechen von ÖVP und FPÖ. Nun ist die Mindestsicherung aber Landessache – und die Länder haben es erfahrungsgemäß nicht gern, wenn ihnen der Bund etwas diktiert. Praktisch gibt es aber drei Möglichkeiten.
Erstens: Der Bund macht von seiner Grundsatzgesetzgebungskompetenz Gebrauch und erteilt den Ländern den Auftrag, die Mindestsicherung für verschiedene Gruppen zu kürzen. Das ginge mit einfacher Mehrheit. Die Länder müssten die Vorgaben umsetzen, neun Landesregelungen wären die Folge.
Zweitens: Der Bund zieht die komplette Sozialhilfematerie und damit auch die Ausgestaltung der Mindestsicherung an sich. Diese Kompetenzverschiebung wäre nur per Verfassungsänderung, folglich nur mit Zweidrittelmehrheit möglich und würde die Frage aufwerfen, wer mit dem Vollzug beauftragt wird. Die Länder? Das AMS?
Drittens und eben bei der Abschaffung des Pflegeregresses geschehen: Der Bund mischt sich per punktuellem Verfassungsgesetz in Landeskompetenzen ein und bestimmt, dass bei der Mindestsicherung nun dieses oder jenes gilt. Die Vollziehungsfrage ist auch in diesem Fall nicht einfach.
In mehreren Bundesländern wurde die Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge bereits gekürzt, gedeckelt oder verschärft (etwa durch Wartefristen). Wien wollte bisher nicht mitgehen. Eben teilte die Stadt mit, dass das Sozialhilfebudget auch heuer nachdotiert werden muss (um 30,5 Mill. auf 693 Mill. Euro). 2016 hatte das Budget um 130 Mill. auf rund 664 Mill. Euro aufgestockt werden müssen, 2015 waren gleich zwei Nachtragsbudgets notwendig. Von den aktuell 208.000 Beziehern in Wien sind etwa die Hälfte Ausländer, darunter etwa die Hälfte Flüchtlinge. Familienbeihilfe: Die Kürzung der Familienbeihilfe für die im Ausland lebenden Kinder von EU-Migranten ist eine seit Jahren von Sebastian Kurz (ÖVP) gestellte Forderung, die von der FPÖ geteilt wird. Seit Februar liegt ein vom Familienressort ausgearbeiteter Gesetzesvorschlag zur Anpassung der Familienbeihilfe ans jeweilige Preisniveau (Indexierung) vor. Zum nationalen Alleingang kam es wegen der zu erwartenden Klage beim EuGH und des Neins der SPÖ nicht. Der EU gefiele ein derartiger Schritt nicht. Dass sich ÖVP und FPÖ davon beeindrucken lassen, darf bezweifelt werden.
Der Export der im europäischen Vergleich hohen Familienbeihilfe ins EU-Ausland ist drastisch gestiegen, insbesondere in Länder mit niedrigen Lebenshaltungskosten. 2013 waren für 92.000 Kinder 192 Mill. Euro bezahlt worden, 2016 für 132.000 Kinder 272,6 Mill. Euro. Durch die Indexierung werden Einsparungen in der Höhe von 100 Mill. Euro jährlich erhofft. Kinderehen: Dieses Thema tauchte im Sommer kurz im Wahlkampf auf. Den Anlass lieferte Deutschland: Dort wurde als Reaktion auf die steigende Zahl verheirateter minderjähriger Flüchtlinge ein Heiratsverbot für Jugendliche unter 18 und die Aufhebung der meisten bestehenden Kinderehen beschlossen. Die ÖVP regte umgehend ein Gesetz nach dem deutschen Vorbild für Österreich an, die FPÖ wünschte sich damals einen Beschluss noch vor der Wahl. Es kam nicht dazu. Obergrenzen: Die Asylobergrenzen stammen noch aus Faymann/Mitterlehner-Zeiten. Als Folge der fast 90.000 Asylanträge des Jahres 2015 wurde beschlossen, dass 2016 maximal 37.500 Asylbewerber zum Verfahren zugelassen werden, 2017 maximal 35.000, 2018 maximal 30.000 und 2019 maximal 25.000. Die 2016er-Obergrenze wurde relativ knapp unterschritten. Die heurige wird deutlich unterschritten: In den ersten drei Quartalen wurden etwas mehr als 16.200 Personen zum Asylverfahren zugelassen, hält der Trend an, dürften es bis Jahresende um die 20.000 sein.
Der Vorstoß Innenminister Wolfgang Sobotkas (ÖVP), die Obergren- zen zu halbieren, scheiterte am Nein der SPÖ. Anzunehmen, dass nun über eine drastische Senkung für 2018 und 2019 verhandelt wird. Grenzkontrollen: Die Verlängerung der Grenzkontrollen um sechs weitere Monate (bis Mai 2018) haben Österreich und fünf weitere EULänder, darunter Deutschland, bereits beantragt. Begründung: Terrorgefahr. Dass die EU die Anträge ablehnt, gilt als unwahrscheinlich. Migration: Die FPÖ sprach sich im Wahlkampf aufgrund der jüngsten Migrationswelle gegen jedwede zusätzliche Zuwanderung aus. Die ÖVP dagegen will es einfacher machen, Hochqualifizierte ins Land zu holen. Man darf gespannt sein, ob hier ein Weg zueinander führt.
Bei anderen Vorhaben ist man dagegen einer Meinung, etwa dass illegal Eingereiste abzuschieben sind. Das Problem ist hier – und das schon länger – die Umsetzung, da sich manche Länder (allen voran Ungarn) weigern, die illegalen Grenzgänger zurückzunehmen. ÖVP wie FPÖ wollen auch, dass Flüchtlings- und Migrantenkindern erst einmal Deutsch beigebracht wird, damit sie danach dem Regelunterricht folgen können. Politischer Islam: Auch hier sind ÖVP und FPÖ einer Meinung: Gegenüber dem politischen Islam dürfe es keinerlei Toleranz geben. Angekündigt wurde, das Vereins- und Stiftungsrecht zu überprüfen, um die Einflussnahme aus dem Ausland zu senken. Politische Organisationen, die unter ausländischem Einfluss stehen, sollen verboten werden. In islamischen Kindergärten soll mehr kontrolliert und gegebenenfalls die Schließung angeordnet werden.