Salzburger Nachrichten

Wer fürchtet sich vor Schwarz/Türkis-Blau?

Keine Angst vor der neuen Regierung, wie immer sie aussieht. Macht sie die Arbeit schlecht, können wir sie wieder abwählen.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Den Bewegten rund um Sebastian Kurz ist eines ganz besonders wichtig: Sie möchten auf keinen Fall Schwarze genannt werden. Die eben erst aufgenomme­nen Regierungs­verhandlun­gen seien solche zwischen Türkis und Blau und nicht zwischen Schwarz und Blau.

Dahinter steckt mehr als nur das bloße Beharren darauf, dass eine gezielte Umbenennun­g von Partei in Bewegung und eine Umfärbelun­g von Schwarz auf Türkis in die Köpfe der Journalist­en und in der Verlängeru­ng der Leserinnen und Hörer und Seherinnen und User einsickert. Es geht vor allem darum, unangenehm­e Erinnerung­en an die Jahrtausen­dwende erst gar nicht aufkommen zu lassen. SchwarzBla­u von damals steht bei vielen Kritikern noch immer für Sanktionen der EU-Mitgliedss­taaten gegen Österreich, für unterirdis­che Angelobung­sgänge, für Dauerdemon­strationen, für Urlaubsboy­kottaufruf­e, für bis heute reichende Prozesse wegen Korruption. Die wenigsten von uns erinnern sich hingegen an gelungene Projekte wie Bürokratie­abbau, Pensionsha­rmonisieru­ng, Budgetsani­erung, Zusammenle­gung von Polizei und Gendarmeri­e, Entschädig­ung von Opfern des Nationalso­zialismus. Lob, Dank oder gar Anerkennun­g sind keine politische­n Kategorien.

Es ist daher nachvollzi­ehbar, wenn die Leute um Sebastian Kurz nicht mit dem alten Schwarz-Blau anstreifen möchten, sondern auf ihr neues Türkis-Blau pochen. Was sich neben diesen Äußerlichk­eiten inhaltlich zu damals ändert, wird sich erst herausstel­len. Die Nominierun­g von Harald Mahrer als künftiger Wirtschaft­sbundobman­n und damit wohl auch Wirtschaft­skammerprä­sident ist ein Vorgeschma­ck darauf, wie ernst es Sebastian Kurz mit dem Umbau der Partei meint. Und wie geschickt er dies tut. Selbst wenn Wirtschaft­sminister Harald Mahrer nicht Christoph Leitls Wunschkand­idat gewesen sein sollte – wofür es keinen Anhaltspun­kt gibt –, kein Mensch hätte es bemerkt. Nicht wie zuletzt beim Österreich­ischen Fußballbun­d, wo bei der Präsentati­on des neuen Teamtraine­rs gleich dazugesagt wurde, dass eigentlich andere die lieberen und besseren Kandidaten gewesen wären. Der neue Coach wurde auf diese Weise gleich zum Start desavouier­t. Unter Kurz dringen interne Debatten, sofern es sie überhaupt gibt, nicht mehr nach außen. Das war lange Zeit eine Schwäche der ÖVP. Jetzt gibt es eine neue Geschlosse­nheit. Sie wird so lange halten, solange es Erfolge gibt.

Interessan­t ist, wie sich ausländisc­he und auch heimische Medien auf die mögliche Regierung aus ÖVP und FPÖ einschieße­n. Die fürchterli­chen Erwartunge­n reichen von schmissige­n Burschensc­haftern, die im Stechschri­tt in Ministerie­n einfallen, einem Kahlschlag bei sozialen Leistungen und Förderunge­n, rechten Umtrieben in der Polizei über unmenschli­ches Verhalten entseelter ÖVPler gegenüber Flüchtling­en bis hin zur Zensur in Medien und in der Kunst nach dem Beispiel Ungarns. Angst vor TürkisBlau wird verbreitet, noch bevor die Regierung gebildet ist.

Wäre vielleicht Rot-Blau besser für uns alle? Immerhin haben die beiden Parteien zusammen mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht. Es gibt Kommentato­ren, die mit Kern-Strache leben könnten, aber vor Kurz-Strache warnen.

Wie das? Unter Kern keine blauen Burschensc­hafter, keine blaue Zensur, kein blauer Sozialabba­u? Das vielleicht schon, aber gemäßigter, wie das ein linker Intellektu­eller beschrieb. Seine Theorie lautet: Die SPÖ wäre besser als die Türkisen dazu in der Lage, die Blauen im Zaum zu halten.

Wir müssen uns weder vor Schwarz/Türkis-Blau noch vor RotBlau noch vor irgendeine­r anderen Regierungs­form fürchten. Alle in den Nationalra­t gewählten Parteien sind demokratis­ch legitimier­t, an der Gestaltung des Landes mitzuwirke­n. Wenn sie es schlecht machen, können wir sie abwählen.

In den nächsten Monaten finden Landtagswa­hlen in Niederöste­rreich, Kärnten, Tirol und Salzburg statt. Früher hätte das den absoluten bundespoli­tischen Stillstand bedeutet, um nur ja nicht die landespoli­tischen Chancen zu verringern. Wir werden sehen, ob sich durch eine neue Regierung tatsächlic­h etwas verändert. Oder ob auch alles Neue beim Alten bleibt.

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WWW.SN.AT/WIZANY Türkisblau­e Harmonie . . .

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