Wer fürchtet sich vor Schwarz/Türkis-Blau?
Keine Angst vor der neuen Regierung, wie immer sie aussieht. Macht sie die Arbeit schlecht, können wir sie wieder abwählen.
Den Bewegten rund um Sebastian Kurz ist eines ganz besonders wichtig: Sie möchten auf keinen Fall Schwarze genannt werden. Die eben erst aufgenommenen Regierungsverhandlungen seien solche zwischen Türkis und Blau und nicht zwischen Schwarz und Blau.
Dahinter steckt mehr als nur das bloße Beharren darauf, dass eine gezielte Umbenennung von Partei in Bewegung und eine Umfärbelung von Schwarz auf Türkis in die Köpfe der Journalisten und in der Verlängerung der Leserinnen und Hörer und Seherinnen und User einsickert. Es geht vor allem darum, unangenehme Erinnerungen an die Jahrtausendwende erst gar nicht aufkommen zu lassen. SchwarzBlau von damals steht bei vielen Kritikern noch immer für Sanktionen der EU-Mitgliedsstaaten gegen Österreich, für unterirdische Angelobungsgänge, für Dauerdemonstrationen, für Urlaubsboykottaufrufe, für bis heute reichende Prozesse wegen Korruption. Die wenigsten von uns erinnern sich hingegen an gelungene Projekte wie Bürokratieabbau, Pensionsharmonisierung, Budgetsanierung, Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus. Lob, Dank oder gar Anerkennung sind keine politischen Kategorien.
Es ist daher nachvollziehbar, wenn die Leute um Sebastian Kurz nicht mit dem alten Schwarz-Blau anstreifen möchten, sondern auf ihr neues Türkis-Blau pochen. Was sich neben diesen Äußerlichkeiten inhaltlich zu damals ändert, wird sich erst herausstellen. Die Nominierung von Harald Mahrer als künftiger Wirtschaftsbundobmann und damit wohl auch Wirtschaftskammerpräsident ist ein Vorgeschmack darauf, wie ernst es Sebastian Kurz mit dem Umbau der Partei meint. Und wie geschickt er dies tut. Selbst wenn Wirtschaftsminister Harald Mahrer nicht Christoph Leitls Wunschkandidat gewesen sein sollte – wofür es keinen Anhaltspunkt gibt –, kein Mensch hätte es bemerkt. Nicht wie zuletzt beim Österreichischen Fußballbund, wo bei der Präsentation des neuen Teamtrainers gleich dazugesagt wurde, dass eigentlich andere die lieberen und besseren Kandidaten gewesen wären. Der neue Coach wurde auf diese Weise gleich zum Start desavouiert. Unter Kurz dringen interne Debatten, sofern es sie überhaupt gibt, nicht mehr nach außen. Das war lange Zeit eine Schwäche der ÖVP. Jetzt gibt es eine neue Geschlossenheit. Sie wird so lange halten, solange es Erfolge gibt.
Interessant ist, wie sich ausländische und auch heimische Medien auf die mögliche Regierung aus ÖVP und FPÖ einschießen. Die fürchterlichen Erwartungen reichen von schmissigen Burschenschaftern, die im Stechschritt in Ministerien einfallen, einem Kahlschlag bei sozialen Leistungen und Förderungen, rechten Umtrieben in der Polizei über unmenschliches Verhalten entseelter ÖVPler gegenüber Flüchtlingen bis hin zur Zensur in Medien und in der Kunst nach dem Beispiel Ungarns. Angst vor TürkisBlau wird verbreitet, noch bevor die Regierung gebildet ist.
Wäre vielleicht Rot-Blau besser für uns alle? Immerhin haben die beiden Parteien zusammen mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht. Es gibt Kommentatoren, die mit Kern-Strache leben könnten, aber vor Kurz-Strache warnen.
Wie das? Unter Kern keine blauen Burschenschafter, keine blaue Zensur, kein blauer Sozialabbau? Das vielleicht schon, aber gemäßigter, wie das ein linker Intellektueller beschrieb. Seine Theorie lautet: Die SPÖ wäre besser als die Türkisen dazu in der Lage, die Blauen im Zaum zu halten.
Wir müssen uns weder vor Schwarz/Türkis-Blau noch vor RotBlau noch vor irgendeiner anderen Regierungsform fürchten. Alle in den Nationalrat gewählten Parteien sind demokratisch legitimiert, an der Gestaltung des Landes mitzuwirken. Wenn sie es schlecht machen, können wir sie abwählen.
In den nächsten Monaten finden Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten, Tirol und Salzburg statt. Früher hätte das den absoluten bundespolitischen Stillstand bedeutet, um nur ja nicht die landespolitischen Chancen zu verringern. Wir werden sehen, ob sich durch eine neue Regierung tatsächlich etwas verändert. Oder ob auch alles Neue beim Alten bleibt.