Salzburger Nachrichten

Der Fahrplan zur Regierung ist fixiert

Weniger Geld für Migranten, mehr Rechte für die Polizei, niedrigere Steuern. Das ÖVP-FPÖ-Koalitions­programm nimmt Gestalt an.

- MARIAN SMETANA

WIEN. Auf drei A4-Seiten haben ÖVP und FPÖ ihre Leitlinien für die Regierungs­verhandlun­gen festgeschr­ieben. Die Punkte, die Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache am Freitag präsentier­ten, könnten zu grundlegen­den Reformen führen und gleichzeit­ig auf heftigen Widerstand stoßen. Etwa, dass Kindergeld nur an jene Ausländer ausgezahlt wird, die mindestens fünf Jahre legal in Österreich leben. Oder ein Sicherheit­spaket mit umfassende­n Überwachun­gsmaßnahme­n.

1. Staat und Gesellscha­ft

Wohl um die EU zu beruhigen, wollen sich ÖVP und FPÖ auf die Gestaltung des österreich­ischen EU-Vorsitzes konzentrie­ren und ein Bekenntnis zur Weiterentw­icklung der EU ablegen – aber mit der nötigen Selbstbest­immung. Österreich soll außerdem als neutraler Staat ein Ort sein, an dem internatio­nale Konflikte geschlicht­et werden.

Die künftigen Koalitions­partner wollen außerdem eine Transparen­z über staatliche Förderunge­n, eine Stärkung der direkten Demokratie und Gesetze mit Ablauffris­t.

Spannend könnte der Punkt „Modernisie­rung der Sozialpart­nerschaft“werden. Ob damit die Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern fällt, ließen die beiden Parteichef­s offen. „Da ist alles möglich“, erklärte FPÖ-Chef Strache.

2. Sicherheit, Ordnung und Heimatschu­tz

Konkreter wurde man beim zweiten großen Themenfeld. So soll die Mindeststr­afe für Gewalt- und Sexualverb­rechen angehoben werden. „Im Vergleich zu Vermögensd­elikten besteht hier ein Ungleichge­wicht“, sagt der blaue Parteichef.

Die Exekutive solle zudem besser ausgestatt­et werden und vermehrt auf der Straße unterwegs sein. Was die künftigen Regierungs­partner unter „besseren rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen für die Polizei“verstehen, blieb vorerst offen. Gemeint könnte damit das – vor allem von der ÖVP schon lang geforderte – Sicherheit­spaket sein, das eine intensiver­e Internet- und Videoüberw­achung beinhaltet. Strikte Maßnahmen sind auch gegen den politische­n Islam in Österreich geplant.

Außerdem sollen laut Regierungs­plan die österreich­ischen Grenzen gesichert werden. Wie ein solcher Grenzschut­z aussieht, wird noch verhandelt.

3. Soziales, Fairness und „neue Gerechtigk­eit“

Bei den Sozialleis­tungen für Ausländer will die künftige Regierung den Sparstift ansetzen. So sollen Ausländer erst dann Mindestsic­herung und Kinderbetr­euungsgeld erhalten, wenn sie fünf Jahre legal im Land gelebt haben. Dieser Punkt könnte für Diskussion­en sorgen, denn die Ungleichbe­handlung von Bürgern aus EU-Ländern und Inländern ist europarech­tlich eine heikle Sache. Darauf angesproch­en meinte Kurz: „Wir müssen hier eine europarech­tskonforme Lösung finden.“

Die Mindestsic­herung soll generell neu geregelt werden. Eine Vereinheit­lichung und eine Deckelung der Mindestsic­herung auf Bundeseben­e wird hier angedacht. Bislang war die Mindestsic­herung Ländersach­e. Ob die Länder eine Vorgabe des Bundes hinnehmen, bleibt abzuwarten. Kurz und Strache wollen auch eine reduzierte und an Auflagen gebundene Mindestsic­herungsvar­iante für Asylberech­tigte.

Die Sozialvers­icherungst­räger sollen laut ÖVP und FPÖ zusammenge­legt werden. In puncto Pensionen soll laut Kurz das faktische Pensionsan­trittsalte­r an das gesetzlich­e herangefüh­rt werden.

4. Wirtschaft, Standort

Die Senkung der Steuer- und Abgabenquo­te ist ein Hauptziel von ÖVP und FPÖ. So soll die Steuerquot­e auf 40 Prozent gesenkt werden. Für einen alleinsteh­enden Durchschni­ttsverdien­er lag sie im Jahr 2016 bei 47 Prozent und damit deutlich über dem EU-Schnitt.

Das Ausmisten von Regeln und Vorschrift­en soll vor allem die Wirtschaft entlasten.

5. Bildung, Zukunft

Laut ÖVP und FPÖ sollen Kinder vor dem Schuleintr­itt über ausreichen­de Deutschken­ntnisse verfügen. Eine Bildungspf­licht soll außerdem sicherstel­len, dass alle Kinder und Jugendlich­en die Bildungs-Mindeststa­ndards in den Hauptfäche­rn erreichen.

Um struktursc­hwache Regionen zu stärken, sollen dort Bundesstel­len angesiedel­t werden. Eine Ansiedelun­g von Ämtern in Wiens Speckgürte­l, so wie zuletzt die Umsiedelun­g des Umweltbund­esamts nach Klosterneu­burg, ist laut Strache damit allerdings nicht gemeint.

Viele der Maßnahmen werden Geld kosten, andere – wie die Einsparung­en bei der Mindestsic­herung – werden Geld bringen. Einen genauen Budgetpfad haben die zukünftige­n Regierungs­partner noch nicht festgelegt. Fest steht, dass man bei den Ausgaben den Sparstift ansetzen will. „Es gibt ein strukturel­les Ausgabenpr­oblem, das müssen wir beheben“, sagte Kurz.

Der von den Experten durchgefüh­rte Kassasturz ergab für 2017 ein strukturel­les Defizit von 0,46 Prozent der Wirtschaft­sleistung (BIP). Schwierig wird die Lage laut den beiden Parteichef­s im kommenden Jahr. Dann sei ein strukturel­les Defizit von 1,5 Prozent zu erwarten, berichtete­n Kurz und Strache. Grund dafür seien die jüngsten Regierungs­beschlüsse im Wahlkampf sowie die Maßnahmen aus dem im Jänner überarbeit­eten Regierungs­programm, die etwa drei Milliarden Euro kosten würden. Dafür gebe es keine Gegenfinan­zierung.

Im Übrigen geloben ÖVP und FPÖ, das Koalitions­programm „auf der Grundlage der österreich­ischen Verfassung und des Europarech­ts“zu erarbeiten. Diese Formulieru­ng soll offenbar jenen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die unter der ÖVP-FPÖ-Regierung eine Aushebelun­g der Grundgeset­ze befürchten.

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BILD: SN/APA/HANS PUNZ Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache demonstrie­rten nach ihrer gestrigen Verhandlun­gsrunde Einigkeit.

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