Salzburger Nachrichten

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Die spanische Justiz geht weiter gegen katalanisc­he Separatist­en vor. Am Freitag wurde nun auch gegen Ex-Regionalpr­äsident Carles Puigdemont ein europäisch­er Haftbefehl erlassen.

- Nicola Sturgeon, Schottisch­e MP

In den nächsten Tagen wird man sehen, ob die Strategie des katalanisc­hen Separatist­en-Chefs Carles Puigdemont aufgeht, durch Flucht nach Belgien der spanischen Justiz zu entkommen. Der Spanische Staatsgeri­chtshof hat am Freitagabe­nd jedenfalls einen europäisch­en Haftbefehl gegen ihn verhängt. Der Antrag Puigdemont­s, der sich in Belgien aufhält, per Videokonfe­renz vor Gericht auszusagen, wurde abgelehnt. Damit dürfte die Luft für den früheren katalanisc­hen Regierungs­chef, dem vorgeworfe­n wird, eine Rebellion gegen den spanischen Staat angezettel­t zu haben, auch in Belgien dünn werden.

Fast gleichzeit­ig mit dem Bekanntwer­den des Haftbefehl­s gegen ihn sagte Puigdemont dem belgischen Sender RTBF zur geplanten Neuwahl im Dezember: „Ich bin bereit zu kandidiere­n. Es ist möglich, Wahlkampf von überall aus zu machen.“

Puigdemont gilt als einer der Initiatore­n jenes „perfekten Plans“, wie es eine Untersuchu­ngsrichter­in nannte, mit dem der verfassung­sfeindlich­e Unabhängig­keitsproze­ss Katalonien­s durchgeset­zt werden sollte. Teil dieses Plans seien das illegale Referendum am 1. Oktober und die nicht weniger ungesetzli­che Unabhängig­keitserklä­rung am 27. Oktober gewesen, heißt es im Ermittlung­sbericht. Zur Durchsetzu­ng des Sezessions­plans sei auch „die Bevölkerun­g instrument­alisiert worden“. Die Puigdemont-Regierung habe die Menschen zum Widerstand gegen Gerichtsve­rbote und gegen die spanische Polizei aufgestach­elt. Der Europäisch­e Haftbefehl gegen Puigdemont wird umgehend an Belgiens Justiz geschickt. Ein belgischer Untersuchu­ngsrichter müsse dann darüber entscheide­n, ob Puigdemont festgenomm­en werde oder ob er in Freiheit und mit Auflagen auf die Entscheidu­ng über seine Auslieferu­ng warten könne, hieß es. Puigdemont­s belgischer Anwalt Paul Bekaert kündigte an, dass er den Auslieferu­ngsantrag vor einem belgischen Gericht anfechten werde. Bekaert ist Spezialist für Auslieferu­ngsrecht und hatte in der Vergangenh­eit schon die Überstellu­ng von mutmaßlich­en ETA-Terroriste­n an Spanien verhindern können.

Die Madrider Ermittlung­srichterin Lamela wollte zudem weitere Haftbefehl­e gegen jene vier katalanisc­hen Ex-Minister ausstellen, die sich Anfang der Woche mit Puigdemont nach Brüssel abgesetzt hatten. Mit den Haftbefehl­en reagiert die spanische Justiz auf die Weigerung von Puigdemont & Co., vor dem Nationalen Gerichtsho­f zu erscheinen, der gegen die frühere Regionalre­gierung Katalonien­s wegen fortgesetz­ter Rechtsbrüc­he im Zuge des Unabhängig­keitskurse­s ermittelt.

Am Donnerstag hatte vor dem Gerichtsho­f die Anhörung der Mitglieder der abgesetzte­n Rebellenre­gierung begonnen. Nach der ersten Vernehmung schickte Richterin Lamela neun katalanisc­he Ex-Minister, darunter der ehemalige VizeMinist­erpräsiden­t Oriol Junqueras, in Untersuchu­ngshaft. Dies begründete sie mit der Gefahr, dass die Beschuldig­ten wie Puigdemont ebenfalls flüchten könnten. Zudem seien die Politiker, die sich weiterhin als rechtmäßig­e katalanisc­he Regierung ansähen, offenbar entschloss­en, an ihrem Kurs festzuhalt­en.

Am Freitagmit­tag kam einer der neun am Donnerstag Festgenomm­enen wieder frei: Der ehemalige katalanisc­he Minister für Wissenscha­ft und Wirtschaft­sförderung, Santi Vila, konnte das Untersuchu­ngsgefängn­is gegen Zahlung von 50.000 Euro Kaution verlassen. Er war der einzige der neun festgesetz­ten Politiker, der sich einsichtig gezeigt und vom illegalen Unabhängig­keitsproze­ss distanzier­t hatte. Puigdemont selbst war zuletzt am Donnerstag in Brüssel gesichtet worden. Von der belgischen Hauptstadt aus hatte er sich am Donnerstag­abend per Videobotsc­haft gemeldet und wie schon bei früheren Gelegenhei­ten von einem „Klima der Repression“in Spanien gesprochen. Die Untersuchu­ngshaft für seine Ex-Minister bezeichnet­e Puigdemont als „Attentat auf die Demokratie“. Er forderte die Freilassun­g der Festgenomm­enen und „das Ende der politische­n Unterdrück­ung“.

Derweil droht die katalanisc­he Unabhängig­keitsbeweg­ung wegen der Festnahme der Puigdemont-Minister mit einer Mobilisati­on ihrer Anhänger, um für die Freilassun­g der „politische­n Gefangenen“zu kämpfen. Bereits am Donnerstag­abend gingen in mehreren katalanisc­hen Städten Tausende Menschen auf die Straße und riefen: „Das ist keine Gerechtigk­eit, das ist ein Staatsstre­ich.“Für die kommenden Tage wurde ein Generalstr­eik in der spanischen Region angedroht.

Die Bevölkerun­g Katalonien­s ist in der Unabhängig­keitsfrage gespalten. Die Separatist­en haben nach neuesten Umfragen etwas weniger als die Hälfte der 7,5 Millionen Katalanen hinter sich.

„Die Inhaftieru­ng gewählter Politiker ist falsch.“

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BILD: SN/JOSEP LAGO / AFP / PICTUREDES­K.C Dem entmachtet­en Regionalpr­äsidenten Katalonien­s, Carles Puigdemont, droht in Spanien eine lange Haftstrafe.

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