Wünsche sprießen für Kunst und Kultur
Führungskräfte warnen vor Existenzgefahr für Kulturbetriebe und vor Altersarmut. Sie liefern der künftigen Regierung einige Ideen.
Da an den derzeitigen Koalitionsverhandlungen vor allem Wiener Männer mitwirken, fragen wir Frauen in Führungspositionen von Kulturinstitutionen außerhalb Wiens: Welche Anregungen, Vorschläge, Forderungen und Wünsche möchten Sie den Koalitionsverhandlern von ÖVP und FPÖ für den Bereich Kunst und Kultur mitgeben? Was sollte im Arbeitsprogramm der nächsten Bundesregierung zum Thema Kunst und Kultur stehen? Helga Rabl-Stadler, Präsidentin Salzburger Festspiele „Mein Wunsch an jede Regierung – gleich welcher Couleur – war, ist und wird sein: Behandelt die Kunst ganz im Sinne unseres Festspielgründers ,nicht als Luxusmittel, sondern als Lebensmittel‘ (O-Ton Max Reinhardt). Das heißt, stützt die Vielfalt, die den wirklichen Reichtum unseres kleinen Österreich ausmacht. Natürlich braucht es dafür auch finanzielle Taten: Eine Anpassung der jährlichen Kulturförderungen an die Inflation ist längst überfällig. Für die Salzburger Festspiele bedeutet die Nichtvalorisierung der Subventionen einen ständigen finanziellen Drahtseilakt, um das außerordentliche künstlerische Niveau zu halten. Für viele kleinere Kulturinitiativen in Österreich ist es noch viel dramatischer. Für sie geht es um das nackte Überleben.
Um Kunst und Kultur eine kräftige Stimme zu geben, bedarf es in der Regierung durchsetzungsbereiter Persönlichkeiten.“ Brigitte Fürle, Festspielhaus St. Pölten „Österreich ist eine Kunst- und Kulturnation und die Künstlerinnen und Intellektuellen dieses Landes sind weltweit unsere wichtigsten BotschafterInnen. Mit ihnen und den Kulturschaffenden den Dialog auf Augenhöhe zu suchen ist ein Muss jeder Regierung. Und als Künstlerische Leiterin einer international viel beachteten Institution vor allem auch im Bereich Tanz wünsche ich mir, dass wir für die österreichischen Tanzschaffenden – am Beispiel der Tanzplattform Deutschland – eine stärkere Zusammenarbeit auf Bundesebene entwickeln.
Persönlich hoffe ich, dass auch die für Österreich beachtlichen ökologischen Standards, die Herausforderungen des Klimawandels und der Fokus auf nachhaltige Energien, also Klimapolitik, genauso zu den Themen mit Priorität A gehören werden wie eine engagierte Kulturpolitik.“ Iris Laufenberg, Schauspielhaus Graz „Graz genießt auch über Bundesgrenzen hinaus den Ruf als GenussHauptstadt Österreichs. Aber wie lange währte dieser Titel, gäbe es nicht dazu und tiefer verwurzelt ihr vielfältiges Kulturangebot? Von Festivals wie dem Steirischen Herbst über die Theaterhäuser bis in die freie Szene wirkt die Kunst immer wieder über Stadt und Steiermark hinaus in die Welt. Das geschieht nur, weil sie auch verschiedene Kulturen zu sich einlädt. Dabei dienen Kulturangebote nicht in erster Linie der Selbstbestätigung, sondern der Sinnstiftung: In der Kunst lässt sich das Fremde, auch im eigenen Selbst, nah und angstfrei erleben. Dazu braucht es aber viele verschiedene Kulturen, Künstler*innen und gesellschaftliche Themen aus aller Welt. Den Herbst, den Steirischen, und die steirische Kunst nur unter Steirern genießen? Na geh!“ Christa Hassfurther, Theater bodi end sole „Es gilt daran zu erinnern, dass Österreich in Eigendefinitionen sich gern als Kulturnation bezeichnet und dass Österreich die UNESCOKonvention für kulturelle Vielfalt mitgetragen und unterzeichnet hat. Im Wahlkampf wurde erstmals ernsthaft von jährlicher Valorisieren gesprochen. Damit soll endlich die Inflationsanpassung für freie Häuser und Gruppen bei den Förderungen auf Bundesebene eingeführt werden. Wichtig wären auch ein Kollektivvertrag für Künstler*innen und Mindesthonorare für den freien Bereich. Wir brauchen im Sozialbereich für Künstler*innen eine Anpassung in der Pensionsregelung. Sonst droht Altersarmut für Künstler*innen. Wir brauchen einen kunst- und kulturaffinen Minister mit Erfahrung.“ Gerda Ridler, Oberösterr. Landesmuseum „Kunst- und Kulturförderung darf nicht als Subvention, sondern muss als Investition gesehen werden. Daher wünsche ich mir von einer zukünftigen Bundesregierung ein verlässliches Bekenntnis zu Schutz und Ausbau des Kunst- und Kulturlandes Österreich, zur öffentlichen Förderung der kulturellen Vielfalt ohne inhaltliche Einflussnahme und zur Wahrung der Freiheit der Kunst. Ich sehe den Bund in der Pflicht, hinreichende Rahmenbedingungen für Kunst zu schaffen, damit sich die ihr innewohnende Kraft, Kreativität, Innovation und Kompetenz frei entwickeln kann. Als zentral erachte ich die Schaffung transparenter Förderrichtlinien mit langfristiger Planungssicherheit vor allem für kleine und regionale Kulturinitiativen sowie Maßnahmen gegen die Prekarisierung der Kulturbranche.
Hohe Priorität hat für mich die Stärkung einer breiten kulturellen Teilhabe und einer kulturellen Bildung. So wünsche ich mir freien Eintritt für alle bis 19-Jährigen in allen österreichischen Museen.
Dazu ein Zitat von Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer: ,Die Frage ist nicht, ob wir uns Kultur leisten können, sondern ob wir uns die Unkultur leisten wollen.‘“ Elisabeth Resmann, Domquartier Salzburg „Kunst und Kultur sollen nicht als Randthema behandelt werden, sondern einen adäquaten Stellenwert im Kulturland Österreich erhalten. Das Bekenntnis zur Kultur soll sich mit konkreten Maßnahmen im Arbeitsprogramm der neuen Regierung niederschlagen. Die Rolle der Politik sehe ich dabei im Schaffen von guten Rahmenbedingungen. Kulturelle Bildung kann nicht früh genug beginnen und bedarf einer finanziellen Absicherung. Die Zusammenarbeit von Schulen und Kultureinrichtungen muss ideell und finanziell durch die öffentliche Hand getragen werden. Was unser Land unverwechselbar macht und weltweit Bewunderung findet, ist unsere kulturelle Identität.“ Elisabeth Schneider, „Das Zentrum“, Radstadt „Für eine offene, aufgeklärte, tolerante und kritikfähige Gesellschaft sind die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur und der uneingeschränkte Zugang zu kultureller Bildung eine Grundbedingung. Von der zukünftigen Regierung erwarte ich mir, dass sie entsprechende Voraussetzungen schafft und kulturelle Einrichtungen und künstlerische Arbeit ausreichend finanziell ausstattet.
Besonders der ländliche Raum benötigt hier eine Aufwertung durch kultur-, gesellschafts- und sozialpolitisch relevante Maßnahmen. Dies wirkt der allgemeinen Abwanderung entgegen, erhöht die Lebensqualität, stiftet Identität und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Politische Entscheidungsträger sollten ethnische und kulturelle Vielfalt als Selbstverständlichkeit wahrnehmen und deren Förderung als Chance sehen.“