Salzburger Nachrichten

Wie viel Gewalt in Gefängniss­en herrscht

Überbelegu­ng und Personalab­bau: Die Zustände in Haftanstal­ten Großbritan­niens sind chaotisch. Wie sieht es in Österreich aus?

- ANDREAS TRÖSCHER

WIEN. Revolten, Gewaltexze­sse, Personalma­ngel, desolate Räumlichke­iten: Während aus den Gefängniss­en Großbritan­niens 2017 zahlreiche Negativrek­orde gemeldet wurden, geht es in österreich­ischen Haftanstal­ten verhältnis­mäßig ruhig und gesittet zu. Warum das so ist, hat mehrerlei Gründe.

Ein entscheide­nder Punkt sei der Unterschie­d zwischen Verwahrung­svollzug und Betreuungs­vollzug, meint Josef Schmoll von der Generaldir­ektion für den Strafvollz­ug. „In Österreich liegt der Fokus auf Beschäftig­ung und Ausbildung“, sagt Schmoll. Was die Personalst­ärke betrifft, orientiert man sich an dem Schlüssel 1:2,5 – auf einen Justizwach­ebeamten kommen 2,5 Häftlinge. Wobei das tatsächlic­he Verhältnis von allerlei Faktoren abhängt. So benötige man in der Nacht, wenn alle in ihren Zellen sind, weniger Personal. Apropos Zellen: Betrug der Maximalbel­ag vor 20 Jahren zehn Häftlinge, sind es mittlerwei­le „nur“noch sechs. ZweiMann-Zellen gelten als Standard.

Derzeit gibt es in Österreich 8900 Insassen in 27 Gefängniss­en. Davon sind 580 Frauen. Die Auslastung liegt bei 96 Prozent, der Ausländera­nteil bei 52 Prozent. 2015 kam es in 69 Fällen zu gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen. 2016 waren es 96, und 2017 sind es bisher ebenfalls 96. „Dass auch Beamte angegriffe­n werden, passiert selten“, sagt Schmoll. Meist handle es sich um Biss- oder Stoßverlet­zungen. Dann folgt eine Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft.

Die Zahlen aus Großbritan­nien sind weitaus erschrecke­nder: Allein in England und Wales gab es binnen eines Jahres 27.193 Übergriffe. Jeder vierte war gegen das Gefängnisp­ersonal gerichtet. Hinzu kommen 41.000 Fälle von Selbstverl­etzungen. Auch zu Revolten ist es bereits gekommen. So zum Beispiel im Dezember 2016 in Birmingham. Hunderte Gefangene nahmen an dem Aufstand teil, um gegen schlechtes Essen und mangelnde Hygiene zu protestier­en.

Die bisher letzte Gefängnisr­evolte in Österreich liegt mehr als 40 Jahre zurück: „Ich glaube, das war 1970 in Stein“, erinnert sich Schmoll. Ähnliches hält er heutzutage für unmöglich. Lediglich in Innsbruck habe es im September 2016 eine Schlägerei zwischen zwei Volksgrupp­en gegeben. Acht Personen gingen teils mit Eisenstang­en aufeinande­r los. Resultat: drei Verletzte. „Es ist im vergangene­n Jahr sehr viel in Schutzausr­üstung investiert worden – insgesamt 1,6 Millionen Euro.“

Die Gänge in heimischen Justizanst­alten sind videoüberw­acht. Dennoch dürften Wachebeamt­e in Hinkunft mit Bodycams ausgerüste­t werden, wie sie bei der Polizei schon zum Einsatz kommen. Das entspreche­nde Gesetz befindet sich derzeit in der Begutachtu­ngsphase.

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BILD: SN/APA Ein Leben hinter Gittern.

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