Wie viel Gewalt in Gefängnissen herrscht
Überbelegung und Personalabbau: Die Zustände in Haftanstalten Großbritanniens sind chaotisch. Wie sieht es in Österreich aus?
WIEN. Revolten, Gewaltexzesse, Personalmangel, desolate Räumlichkeiten: Während aus den Gefängnissen Großbritanniens 2017 zahlreiche Negativrekorde gemeldet wurden, geht es in österreichischen Haftanstalten verhältnismäßig ruhig und gesittet zu. Warum das so ist, hat mehrerlei Gründe.
Ein entscheidender Punkt sei der Unterschied zwischen Verwahrungsvollzug und Betreuungsvollzug, meint Josef Schmoll von der Generaldirektion für den Strafvollzug. „In Österreich liegt der Fokus auf Beschäftigung und Ausbildung“, sagt Schmoll. Was die Personalstärke betrifft, orientiert man sich an dem Schlüssel 1:2,5 – auf einen Justizwachebeamten kommen 2,5 Häftlinge. Wobei das tatsächliche Verhältnis von allerlei Faktoren abhängt. So benötige man in der Nacht, wenn alle in ihren Zellen sind, weniger Personal. Apropos Zellen: Betrug der Maximalbelag vor 20 Jahren zehn Häftlinge, sind es mittlerweile „nur“noch sechs. ZweiMann-Zellen gelten als Standard.
Derzeit gibt es in Österreich 8900 Insassen in 27 Gefängnissen. Davon sind 580 Frauen. Die Auslastung liegt bei 96 Prozent, der Ausländeranteil bei 52 Prozent. 2015 kam es in 69 Fällen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. 2016 waren es 96, und 2017 sind es bisher ebenfalls 96. „Dass auch Beamte angegriffen werden, passiert selten“, sagt Schmoll. Meist handle es sich um Biss- oder Stoßverletzungen. Dann folgt eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.
Die Zahlen aus Großbritannien sind weitaus erschreckender: Allein in England und Wales gab es binnen eines Jahres 27.193 Übergriffe. Jeder vierte war gegen das Gefängnispersonal gerichtet. Hinzu kommen 41.000 Fälle von Selbstverletzungen. Auch zu Revolten ist es bereits gekommen. So zum Beispiel im Dezember 2016 in Birmingham. Hunderte Gefangene nahmen an dem Aufstand teil, um gegen schlechtes Essen und mangelnde Hygiene zu protestieren.
Die bisher letzte Gefängnisrevolte in Österreich liegt mehr als 40 Jahre zurück: „Ich glaube, das war 1970 in Stein“, erinnert sich Schmoll. Ähnliches hält er heutzutage für unmöglich. Lediglich in Innsbruck habe es im September 2016 eine Schlägerei zwischen zwei Volksgruppen gegeben. Acht Personen gingen teils mit Eisenstangen aufeinander los. Resultat: drei Verletzte. „Es ist im vergangenen Jahr sehr viel in Schutzausrüstung investiert worden – insgesamt 1,6 Millionen Euro.“
Die Gänge in heimischen Justizanstalten sind videoüberwacht. Dennoch dürften Wachebeamte in Hinkunft mit Bodycams ausgerüstet werden, wie sie bei der Polizei schon zum Einsatz kommen. Das entsprechende Gesetz befindet sich derzeit in der Begutachtungsphase.