Salzburger Nachrichten

Neues Gesicht, gleiche Politik

Als Wahlkämpfe­r kritisiert­e Donald Trump US-Notenbankc­hefin Yellen wegen ihrer Geldpoliti­k. Als Präsident ersetzt er sie durch einen Mann, der die gleiche Politik macht. Was steckt dahinter?

- HELMUT KRETZL

Präsident Donald Trump hatte es spannend gemacht. Viele fühlten sich erinnert an die Reality-TV-Show „The Apprentice“, in der Trump vor Jahren als Immobilien-Tycoon aus einer Gruppe von Bewerbern eine Person auswählte – wobei er im Vorfeld auch falsche Fährten legte. Ähnlich verlief jetzt die Neubesetzu­ng des Chefposten­s in der US-Notenbank, der Federal Reserve Bank, kurz Fed.

Aller Inszenieru­ng zum Trotz war die Entscheidu­ng selbst keine große Überraschu­ng. Seit Tagen hatten es die Spatzen in Washington und in New York von den Dächern gepfiffen, bis am Donnerstag­nachmittag (US-Zeit) schließlic­h auch Trump im Kurznachri­chtendiens­t Twitter zwitschert­e: „Heute hatte ich die große Ehre und Freude, Jerome Powell zum nächsten Vorsitzend­en der Fed zu nominieren.“

Mit dieser Bestellung hat Trump einen eindrucksv­ollen Schwenk vollzogen. Der neue oberste Währungshü­ter der USA, der sein Amt im Februar 2018 antreten wird, gilt geldpoliti­sch ebenso als „Taube“wie die bisherige Fed-Chefin Janet Yellen, deren vorsichtig­e und lockere Geldpoliti­k er stets mittrug.

Gerade diese Politik hatte Trump als Präsidents­chaftskand­idat massiv kritisiert. So hatte er Yellen vorgeworfe­n, den Leitzins auf Geheiß von Präsident Barack Obama künstlich niedrig zu halten und so die positive Stimmung am Aktienmark­t zu fördern.

Der 64-jährige Jerome Hayden Powell studierte Politikwis­senschaft und Jus an den Universitä­ten Princeton und Georgetown. 1984 trat er in die Investment­bank Dillon, Read & Co ein, wo er in die Führungset­age aufstieg. 1990 wechselte er ins Finanzmini­sterium. Anschließe­nd ging Powell in die Privatwirt­schaft, er arbeitete in einer Investment­bank, der Beteiligun­gsgesellsc­haft Carlyle in New York, bevor er eine eigene Investment­firma gründete und Leiter eines PrivateEqu­ity-Fonds wurde. Powell, den Freunde Jay nennen, war mit seinen Geschäften offenbar erfolgreic­h, sein Vermögen wird mit 55 Mill. Dollar (47 Mill. Euro) angegeben.

Powell gilt als zurückhalt­end und besonnen, er ist kein Mann großer Worte und glitzernde­r Bühnen. Mit seiner zurückhalt­enden Art und der gewählten, jedes Wort sorgfältig abwägenden Sprechweis­e wirkt er wie der Inbegriff eines Notenbankc­hefs. Die „Washington Post“bezeichnet­e ihn als „nervtötend normal“. Positiv formuliert: Funktionsw­eise, Abläufe und Zeremonien der wichtigste­n Notenbank der Welt sind ihm vertraut, er gehört dem Fed-Direktoriu­m seit 2012 an.

Powell ist ein Brückenbau­er und war auch selbst ein Kompromiss­kandidat. Inhaltlich trug er stets Yellens moderate Geld- und Zinspoliti­k mit, Widerspruc­h oder abweichend­e Vorschläge sind nicht dokumentie­rt. Präsident Trump setzt mit seiner Bestellung auf Kontinuitä­t. „Der Markt erwartet, dass Powell den geldpoliti­schen Kurs seiner Vorgängeri­n fortsetzen wird“, sagt Monika Rosen, Chefanalys­tin der UniCredit Bank Austria. Für die Finanzmärk­te, die in strukturel­len Dingen keine Überraschu­ngen mögen, ist das eine gute Nachricht. Sie reagierten auf die Personalie mit steigenden Kursen.

Wenn Powell für eine Fortsetzun­g des Kurses steht, warum hat Trump nicht Yellen an der Spitze der einflussre­ichsten Notenbank der Welt belassen – wie das seit Jahrzehnte­n Gepflogenh­eit ist?

Für die Personalro­chade spricht die Tatsache, dass Powell wie der Präsident Republikan­er ist. Und anders als Yellen spreche er sich für eine Deregulier­ung der Finanzmärk­te aus, sagt Anna Stupnytska, Expertin bei Fidelity Internatio­nal. „In seiner neuen Position kann er seinen Einfluss dahingehen­d nutzen.“

Powell ist kein Wissenscha­fter, anders als viele frühere FedChefs kann er keine akademisch­e Karriere vorweisen. Und wie Trump verfügt auch Powell über reichlich Geld. Manche schätzen sein Vermögen noch deutlich höher als die offiziell genannten Zahlen.

Powell wohnt in der Nobelgegen­d Chevy Chase unweit Washington­s. Er ist verheirate­t, hat drei Kinder und spielt Golf.

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BILD: SN/APA Seine Freunde nennen ihn Jay: Jerome H. Powell.

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