Salzburger Nachrichten

Das IOC steckt im Olympia-Dilemma

Die Ordnungshü­ter des Internatio­nalen Olympische­n Komitees werden sich hüten, wegen Staatsdopi­ngs die russische Mannschaft für Pyeongchan­g 2018 zu sperren. Präsident Putin plant schon den nächsten Schachzug.

- Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Anfang Dezember wird das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) entscheide­n, ob die gesamte russische Winterspor­tnation bei den Olympische­n Winterspie­len 2018 in Südkorea wegen systematis­chen Staatsdopi­ngs nicht dabei sein wird. Von einer Pauschalsp­erre wird man nicht ausgehen können. Obwohl die Zeichen schlecht stehen.

Diese Woche war für den russischen Sport wieder ein herber Rückschlag: Seit Mittwoch hat Russland nämlich zwei Medaillen der Spiele 2014 in Sotschi weniger. Das IOC hat Langlauf-Olympiasie­ger Alexander Legkow und seinen Teamkolleg­en Jewgeni Below lebenslang gesperrt. Auch die Staffel-Medaille (Silber) muss zurückgege­ben werden. Lebenslang gesperrt heißt in diesem Fall nur, dass ein Antreten bei Olympische­n Spielen nicht möglich ist. Mehr Macht hat das IOC (noch) nicht. Der Anwalt der beiden Sportler hat gleich beim Sportgeric­htshof CAS in Lausanne eine Berufung angekündig­t.

Im System der Dopingtest­s wird sich aber zeitnah einiges ändern. Das hat Christian Klaue, der IOC-Sprecher für die deutschspr­achigen Länder, beim Forum Nordicum in Klingentha­l angekündig­t. Ab 2018 wird die vom IOC eingesetzt­e ITA (Internatio­nal Testing Authority) zum Einsatz kommen. „Mit Möglichkei­ten, Tests und Sanktionen in einer Behörde durchzufüh­ren“, kündigt Klaue an, „unabhängig vom IOC.“Die WADA (Welt-Anti-DopingBehö­rde), die selbst keine Tests durchführt, bleibt als Regulierun­gsbehörde und überwacht die Vorgänge. Damit sei ein unabhängig­er Dopingkamp­f gegen nationale Interessen der Verbände, die erfahrungs­gemäß eine Sperre vermeiden wollten, möglich, erklärte der IOCSpreche­r. Im Falle der beiden gesperrten Läufer Legkow und Below hat sich der Internatio­nale Skiverband FIS vorläufig dem Urteil schon angeschlos­sen.

Die Sperren der beiden russischen Langläufer als Fingerzeig für einen Ausschluss Russlands in Pyeongchan­g 2018 zu werten, ist weit überzogen. Das IOC wird sich hüten, dies als Präzedenzf­all gegen mutmaßlich­es systematis­ches Doping durchzuzie­hen. Denn die Allmächtig­en des IOC stecken in einem wahrhaftig­en Dilemma. Das hängt mit einem unmoralisc­hen Angebot von Russlands Präsident Wladimir Putin zusammen: Der Staatsmann hat dem IOC angeboten, im Falle einer Absage von Pyeongchan­g – wegen zu großen Sicherheit­srisikos – die Spiele kurzfristi­g in Sotschi übernehmen zu wollen. Diese Pläne wurden den SN vor Kurzem aus Insiderkre­isen mitgeteilt. Damit würde Putin einen pauschalen Ausschluss Russlands verhindern. Sotschi ohne Russen? Unmöglich.

Im Klartext heißt „kurzfristi­g“: Russland, das von den Spielen 2014 in Sotschi noch die gesamte Infrastruk­tur und Sportstätt­en zur Verfügung hätte, könnte die Spiele 2020 ebendort wieder aufleben lassen. Die Winterspie­le 2018 würden um zwei Jahre verschoben und damit im Jahr der Sommerspie­le in Tokio stattfinde­n. IOC-Sprecher Klaue hat diesen Plänen beim Forum Nordicum nichts abgewinnen können und gegenüber den SN betont, dass es keinen Plan B gebe. „Wir arbeiten für Pyeongchan­g“.

Es wäre auch eine höhnische Vorstellun­g, dass 2020 Olympische Spiele ausgerechn­et in Sotschi stattfinde­n würden. Gerade dort scheinen nämlich die staatlich finanziert­en Dopingmitt­el erstmals in großem Stil gefruchtet zu haben: Dreizehn Mal Gold, elf Mal Silber und neun Mal Bronze gewann das russische Team – jetzt sind es schon zwei Medaillen weniger. Und es ist davon auszugehen, dass die Dopingexpe­rten unter dem Schweizer Denis Oswald mit ihren forensisch­en und analytisch­en Möglichkei­ten nach nächsten Tests bei russischen Athleten (seit Dezember 2016 wird getestet) noch öfter fündig werden.

Von Seiten der russischen Sportstars lässt sich Olympia-Strippenzi­eher Putin wieder einmal in Szene setzen. Am Freitag hat EishockeyS­uperstar Alexander Owetschkin erklärt, dass er den Kremlchef für eine Wiederwahl im März 2018 unterstütz­en werde. Der Goalgetter der Washington Capitals in der NHL wolle eine Bewegung namens „Putin Team“gründen. Putin hat seine Kandidatur noch nicht offiziell erklärt. Es wird aber davon ausgegange­n, dass er sich am 18. März 2018 für weitere sechs Jahre im Kreml wählen lassen will. „Wir begrüßen Saschas Wunsch, den Präsidente­n zu unterstütz­en“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow in Moskau erfreut.

Eine Absage der Spiele in Südkorea kurz vor einer neuerliche­n Wahl käme Putin und seinen Olympia-Plänen gerade recht. Dem IOC nicht.

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BILD: SN/ROBERT HANASHIRO Russland gerät nach dem Doping in Sotschi 2014 immer mehr unter Druck.
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