Das IOC steckt im Olympia-Dilemma
Die Ordnungshüter des Internationalen Olympischen Komitees werden sich hüten, wegen Staatsdopings die russische Mannschaft für Pyeongchang 2018 zu sperren. Präsident Putin plant schon den nächsten Schachzug.
Anfang Dezember wird das Internationale Olympische Komitee (IOC) entscheiden, ob die gesamte russische Wintersportnation bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Südkorea wegen systematischen Staatsdopings nicht dabei sein wird. Von einer Pauschalsperre wird man nicht ausgehen können. Obwohl die Zeichen schlecht stehen.
Diese Woche war für den russischen Sport wieder ein herber Rückschlag: Seit Mittwoch hat Russland nämlich zwei Medaillen der Spiele 2014 in Sotschi weniger. Das IOC hat Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow und seinen Teamkollegen Jewgeni Below lebenslang gesperrt. Auch die Staffel-Medaille (Silber) muss zurückgegeben werden. Lebenslang gesperrt heißt in diesem Fall nur, dass ein Antreten bei Olympischen Spielen nicht möglich ist. Mehr Macht hat das IOC (noch) nicht. Der Anwalt der beiden Sportler hat gleich beim Sportgerichtshof CAS in Lausanne eine Berufung angekündigt.
Im System der Dopingtests wird sich aber zeitnah einiges ändern. Das hat Christian Klaue, der IOC-Sprecher für die deutschsprachigen Länder, beim Forum Nordicum in Klingenthal angekündigt. Ab 2018 wird die vom IOC eingesetzte ITA (International Testing Authority) zum Einsatz kommen. „Mit Möglichkeiten, Tests und Sanktionen in einer Behörde durchzuführen“, kündigt Klaue an, „unabhängig vom IOC.“Die WADA (Welt-Anti-DopingBehörde), die selbst keine Tests durchführt, bleibt als Regulierungsbehörde und überwacht die Vorgänge. Damit sei ein unabhängiger Dopingkampf gegen nationale Interessen der Verbände, die erfahrungsgemäß eine Sperre vermeiden wollten, möglich, erklärte der IOCSprecher. Im Falle der beiden gesperrten Läufer Legkow und Below hat sich der Internationale Skiverband FIS vorläufig dem Urteil schon angeschlossen.
Die Sperren der beiden russischen Langläufer als Fingerzeig für einen Ausschluss Russlands in Pyeongchang 2018 zu werten, ist weit überzogen. Das IOC wird sich hüten, dies als Präzedenzfall gegen mutmaßliches systematisches Doping durchzuziehen. Denn die Allmächtigen des IOC stecken in einem wahrhaftigen Dilemma. Das hängt mit einem unmoralischen Angebot von Russlands Präsident Wladimir Putin zusammen: Der Staatsmann hat dem IOC angeboten, im Falle einer Absage von Pyeongchang – wegen zu großen Sicherheitsrisikos – die Spiele kurzfristig in Sotschi übernehmen zu wollen. Diese Pläne wurden den SN vor Kurzem aus Insiderkreisen mitgeteilt. Damit würde Putin einen pauschalen Ausschluss Russlands verhindern. Sotschi ohne Russen? Unmöglich.
Im Klartext heißt „kurzfristig“: Russland, das von den Spielen 2014 in Sotschi noch die gesamte Infrastruktur und Sportstätten zur Verfügung hätte, könnte die Spiele 2020 ebendort wieder aufleben lassen. Die Winterspiele 2018 würden um zwei Jahre verschoben und damit im Jahr der Sommerspiele in Tokio stattfinden. IOC-Sprecher Klaue hat diesen Plänen beim Forum Nordicum nichts abgewinnen können und gegenüber den SN betont, dass es keinen Plan B gebe. „Wir arbeiten für Pyeongchang“.
Es wäre auch eine höhnische Vorstellung, dass 2020 Olympische Spiele ausgerechnet in Sotschi stattfinden würden. Gerade dort scheinen nämlich die staatlich finanzierten Dopingmittel erstmals in großem Stil gefruchtet zu haben: Dreizehn Mal Gold, elf Mal Silber und neun Mal Bronze gewann das russische Team – jetzt sind es schon zwei Medaillen weniger. Und es ist davon auszugehen, dass die Dopingexperten unter dem Schweizer Denis Oswald mit ihren forensischen und analytischen Möglichkeiten nach nächsten Tests bei russischen Athleten (seit Dezember 2016 wird getestet) noch öfter fündig werden.
Von Seiten der russischen Sportstars lässt sich Olympia-Strippenzieher Putin wieder einmal in Szene setzen. Am Freitag hat EishockeySuperstar Alexander Owetschkin erklärt, dass er den Kremlchef für eine Wiederwahl im März 2018 unterstützen werde. Der Goalgetter der Washington Capitals in der NHL wolle eine Bewegung namens „Putin Team“gründen. Putin hat seine Kandidatur noch nicht offiziell erklärt. Es wird aber davon ausgegangen, dass er sich am 18. März 2018 für weitere sechs Jahre im Kreml wählen lassen will. „Wir begrüßen Saschas Wunsch, den Präsidenten zu unterstützen“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow in Moskau erfreut.
Eine Absage der Spiele in Südkorea kurz vor einer neuerlichen Wahl käme Putin und seinen Olympia-Plänen gerade recht. Dem IOC nicht.