Die Selbstbehandlung hat ihre Grenzen
In jedem vierten Krankheitsfall werden pflanzliche Heilmittel eingesetzt. Patienten greifen dabei häufig selbst zu Salben, Tees und Ur-Tinkturen. Wann ist Selbstmedikation sinnvoll und wovon ist dringend abzuraten?
Bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit ist eine lindernde Teemischung das Mittel der ersten Wahl. Allerdings: So gut und richtig es ist, sich zuerst aus der natürlichen Hausapotheke zu versorgen und nicht bei jedem Wehwehchen zur Medikamentenschachtel zu greifen, so klar sind die Grenzen: Naturheilmittel sind für milde bis moderate Krankheitsbilder geeignet.
Die Ärztin Barbara Vockner, die in ihrer Praxis in Saalfelden viel mit natürlichen Heilmitteln arbeitet, hat schon schlechte Erfahrungen mit einer übertriebenen Selbstmedikation gemacht. „Es gibt hin und wieder Patientinnen und Patienten, die auf Biegen und Brechen mit ihren Hausmitteln durchkommen wollen. Damit ist die ernsthafte Gefahr verbunden, dass ein Krankheitsherd übersehen wird“, sagt Vockner. „Nach meiner langjährigen Erfahrung mit der Anwendung natürlicher Heilmittel sollte sich spätestens nach einer Woche ein Erfolg einstellen. Wenn das nicht der Fall ist, ist der Weg zum Hausarzt dringend angeraten.“
Darüber hinaus gilt, dass auch bei pflanzlichen Heilmitteln die Dosis das Gift macht. Besonders die Haut reagiere empfindlich, sagt die Medizinerin. Zu viel Thymian könne zum Beispiel zu einer starken Reizung der Haut führen. Und fallweise habe eine selbst hergestellte Salbe einen Hautausschlag zur Folge. „Schulmedizinische Diagnose und Therapie müssen daher immer mit in Betracht gezogen werden“, betont Vockner. Mit beinahe zwanghafter Ablehnung der Schulmedizin sei niemandem geholfen.
Den besonderen Anwendungsbereich der Phytotherapie sieht Vockner dort, „wo schulmedizinisch nichts zur Verfügung steht und es eine gute Indikation für die Behandlung mit pflanzlichen Substanzen gibt“. Das sei zum Beispiel am Ende einer Bronchitis der Fall, bei wiederholt auftretenden Halsschmerzen, bei einem chronischen Blasenkatarrh (Entzündung der Blasenschleimhaut) oder bei Schlafstörungen durch Stress und Erschöpfung. „Vor allem bei leichteren Schlafstörungen ist zu raten, vorerst zu pflanzlichen Arzneimitteln wie Baldriantropfen zu greifen.“
Baldrian gehöre wie Echinacea, Ginkgo oder Isoflavone (gegen Wechselbeschwerden) zu den wissenschaftlich gut dokumentierten pflanzlichen Arzneimitteln, sagt Vockner. „Auch die entspannende und appetitanregende Wirkung von Cannabis für Krebspatienten, MSPatienten oder bei Polyneuropathie ist wissenschaftlich belegt.“
Neuere Forschungsdaten zeigten darüber hinaus, dass es neben dem Zusammenhang von richtiger Dosis und heilsamer Wirkung von pflanzlichen Arzneimitteln auch noch eine andere Wirkungsebene gebe. Dazu gehörten die Anregung der Selbstheilungskräfte durch das Verstehen der Krankheit und das Erfassen des zugrunde liegenden Problems. „Und ganz wichtig ist das Vertrauen, dass der Körper durch eine rhythmisch angewendete Therapie wieder lernen kann, in seinen gesunden Zustand zu kommen.“ Im SN-Saal informieren die Ärztin Barbara Vockner und die Ernährungswissenschafterin Karin Buchart über die richtige Anwendung Traditioneller Europäischer Heilmittel. Termin: Dienstag, 7. November, um 19.00 Uhr, Karolingerstraße 40, Salzburg, Buslinie 10, Eintritt frei. Bereits ab 18.00 Uhr präsentiert das Verlagshaus der Ärzte seine zahlreichen Gesundheitsratgeber.