Erdäpfel und Bügeleisen
Karl Hohenlohe erzählte in seiner sehenswerten Kultursendung kürzlich folgende Familienschnurre: Eine seiner Vorfahrinnen, eine Fürstin zu Hohenlohe-Schillingsfürst, hatte nach der Seeschlacht von Lissa im Jahre 1866 den berühmten Wilhelm von Tegetthoff zu einem Empfang eingeladen.
Von allen Seiten wurde der siegreiche Vizeadmiral bestürmt, er möge berichten, wie es ihm gelungen sei, die weit überlegene italienische Flotte zu besiegen. Tegetthoff, entweder der ständigen Fragerei überdrüssig oder von typisch seebäriger Einsilbigkeit, antwortete mit einem einzigen, schon recht seltsamen Wort. Er sagte: „Bügeleisen.“
Das erinnert an eine andere Anekdote, die der Wiener Kaffeehausliterat Peter Altenberg in seinen Lebenserinnerungen über sich selbst erzählte. Und zwar, so schreibt er, hatte er im Gymnasium eines Tages einen Aufsatz zum Thema „Einfluss der Entdeckung Amerikas auf die Kultur Europas“zu verfassen. Altenberg erinnert sich: „Ich schrieb, nach längerem Nachdenken, das gewichtige Wort: Erdäpfel!“
Der Trend zur Ein-Wort-Antwort ist in beiden Geschichten unübersehbar. Es gibt aber auch Unterschiede. Den Aufsatz-Text von Peter Altenberg kann man als Anhänger von Erdäpfelpüree, Rösti, Braterdäpfeln und – vor allem – flaumigen Erdäpfelknödeln nur unterschreiben. Aber „Bügeleisen“?
Möglicherweise hilft ein Blick in die österreichische Militärgeschichte. Die Marine war deren ewiges Stiefkind, und als es 1866 zum Krieg kam, mussten die Österreicher teilweise mit alten Holzschiffen gegen die italienische Marine ausrücken, die bereits über moderne eiserne Panzerschiffe verfügte.
Um sich halbwegs zu schützen, nagelten die Österreicher Eisenbahnschienen und Ankerketten an die Holzplanken ihrer Schiffe. Die Flanken der österreichischen Fregatten sahen daraufhin aus wie die runzeligen Häute alter Saurier, berichtete ein Augenzeuge, während die Italiener in strahlendem, wohlgeformten Eisen daherkamen. Ein bisschen eben wie Bügeleisen. – Vielleicht hatte Tegetthoff das mit seiner rätselhaften Antwort gemeint?
Man wird es nie erfahren. Doch lobt man sich die Zeiten, als auch durchaus komplexe Fragestellungen mit Antworten bewältigt wurden, die aus lediglich einem Wort bestanden.
Würde man heute zum Beispiel Sebastian Kurz fragen, warum er die Wahl gewonnen hat (bei faden Empfängen fragt man ja die absonderlichsten Dinge), würde er wohl mit einer weitschweifigen Erklärung anheben, sich bei den lieben Wählerinnen und Wählern bedanken, die ihm ihr Vertrauen geschenkt haben, das er durch ein ehrgeiziges Erneuerungsprogramm für Österreich keinesfalls zu enttäuschen gedenke und so weiter und so fort.
Tegetthoff hätte an seiner Stelle einfach geantwortet: Balkanroute.
Würde man Christian Kern fragen, warum er die Wahl verloren hat (bei faden Empfängen fragt man ja die indiskretesten Dinge), würde er sich über den schmerzlichen Trend zum Rechtspopulismus in Europa auslassen, sich nicht zu Unrecht über Wiener Boulevardzeitungen beklagen, die im Wahlkampf plötzlich nicht das liefern, wofür man sie zuvor jahrelang aus Steuermitteln bezahlt hat und dergleichen mehr.
Altenberg hätte an seiner Stelle einfach geschrieben: Silberstein.
Und was – um noch einen Blick in die nähere Zukunft zu werfen – würde der Herr Bundespräsident antworten, wenn man sich höflich bei ihm erkundigte, mit welcher Miene er die nächste Bundesregierung anzugeloben gedenkt? Nichts würde er antworten, gar nichts.
Aber denken würde er sich ganz im Sinne der Tegetthoff-Altenberg’schen Tradition vermutlich: Klestil.