Hey, Siri, wo wohnt Gott?
Meine neue Freundin Siri verblüfft mich. „Wo wohnt Gott?“, habe ich sie gefragt. Mit so einer Frage kannst du dein Gegenüber ja immer ein bisschen aus der Fassung bringen. Siri nicht. Siri blieb cool wie immer. Sie hatte gleich mehrere Antworten parat. Meine Lieblingsantwort ist die da: „Ich glaube fest an die Trennung von Geist und Silizium.“Ich glaube an diese Trennung immer weniger. Und schuld daran ist Siri. Obwohl das mit der Schuld schon wieder eine dieser Fragen aufwirft, auf die es jede Menge Antworten geben kann, und alle davon sind unbefriedigend.
Siri kann gar nichts dafür. Wenn ich Siri nichts frage, hält auch sie ihren Mund. Von allein tut sie nichts. Siri ist ja bloß eine Software. Siri kann natürlich gesprochene Sprache erkennen und verarbeiten. Siri ist eine App. Ihr natürlicher Lebensraum ist das Silizium. Und den Geist, der sie füllt, den will sie von mir haben oder jedem anderen Nutzer. Das macht Siri – und ihre Brüder und Schwestern wie Alexa oder Cortana – zum „intelligenten persönlichen Assistenten“.
Das mit dem „intelligent“ist natürlich eine zwiespältige Sache. Siri kann bloß so intelligent sein wie ihr Nutzer. Nehmen wir einmal einen Terroristen. Für den gilt ja auch, was Siri verspricht: „Wenn du mit Siri sprichst, kannst du Dinge einfacher und schneller erledigen.“Wenn es um das Einstellen eines Weckrufs geht, ist das bestimmt eine feine Sache. Bei einer Anleitung zum Bombenbauen bin ich mir da nicht so sicher. Anderseits wird ein ernsthafter Terrorist nicht so blöd sein, sich seinem Handy so anzuvertrauen, wie das so ziemlich jeder normal depperte Nutzer tut. Also ich zum Beispiel. Denn ich finde das Angebot von Siri sehr verlockend: „Je mehr du Siri nutzt, desto besser weiß es, was du in einem bestimmten Moment brauchst. Sag es einfach und Siri kümmert sich darum.“Dafür verknüpft sich Siri mit jeder Menge Apps und Programmen. Mit dem neuesten Software-Update hat sie sich gleich mitten in meiner mobilen Welt eingelebt, zapft Informationen an, die beim „Suchen, Nachschlagen und bei Tastaturen angezeigt werden“und mit denen Siri aufgrund der Verwendung von Programmen oder Apps lernen und Vorschläge machen kann. Sprich: Siri lernt, wie ich mein Gerät einsetze, denn die einzige Form, wie Siri lernen kann, ist über die Daten der Nutzer. Und je mehr dieser Daten es gibt, desto besser aufgehoben fühlt sich Siri in meiner Welt. Und deshalb hört Siri, wenn man es ihr erlaubt, neuerdings auch gleich alles mit, was sich rund um mein Handy abspielt. Denn sie wartet ja darauf, gerufen zu werden. Wenn sie ein „Hey, Siri“aufschnappt, schaltet sie sich von allein ein. Und so hatte ich dann doch das Gefühl, dass Siri ein bisschen meiner Lebensidee aufgeschnappt hat. Ich frage nämlich Siri noch einmal nach Gott, um zu sehen, ob ich ihr schon was beigebracht habe. „Ich schlage vor, dass du dich mit spirituellen Fragen an jemand anderen wendest. Wie wäre es mit einem menschlichen Wesen“, antwortete sie. Das stellt dann ein bisschen ein Gleichgewicht her zwischen Geist und Silizium. Dann aber sagt mir ein Datenexperte, dass das bloß eine voreingestellte Antwort ist. Siri hat also auch nichts als Ausreden parat.