„Ein exzellenter Standort für Unternehmen“
Steuervorteile für nicht entnommene Gewinne sind laut Arbeiterkammer keine gute Idee. Größte Herausforderung sei der Arbeitsmarkt.
WIEN. Die Denkfabrik Agenda Austria und Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl hatten zuletzt eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, um Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. In der Arbeiterkammer sieht man zwar auch einigen Reformbedarf, warnt aber davor, ein zu negatives Bild zu zeichnen. „Um den Standort mache ich mir kurzfristig keine Sorgen“, sagt AK-Chefökonom Markus Marterbauer unter Verweis auf die gute Entwicklung der Konjunktur. Die Industrieproduktion liege um fünf Prozent über dem Vorjahreswert, die Investitionen seien sogar um 20 Prozent gestiegen. „Offenbar sind wir ein exzellenter Standort.“
Dazu trage auch die attraktive Unternehmensbesteuerung bei, eine steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne hält Marterbauer daher nicht für nötig und auch nicht zielführend. Es sei nämlich nicht gewährleistet, dass diese Gewinne in reale Investitionen fließen, es könnten auch Finanzanlagen sein – „und das sollte man nicht fördern“. Marterbauer präferiert steuerliche Begünstigungen für klar definierte Investitionen wie Maschinen und Gebäude, wie dies bei dem im Jahr 2000 abgeschafften Investitionsfreibetrag der Fall war – „das sollte man wieder machen“. Eine wichtige Aufgabe bleibe die Entlastung der Arbeitseinkommen. Um die zu finanzieren, hält man in der AK Steuern auf Vermögen für angebracht, der Schwerpunkt liege dabei auf der Erbschaftsteuer, auch bei Ökosteuern könne man ansetzen, sagt Marterbauer. Im Bereich der Niedrigeinkommen brächte die Staffelung der Sozialversicherungsbeiträge eine Entlastung, man müsse aber aufpassen, dass die Arbeitnehmer keine Ansprüche verlieren.
Die größte Herausforderung für die Wirtschaftspolitik bleibe aber der Arbeitsmarkt, angesichts der starken Zunahme der offenen Stellen „wäre mehr möglich“, sagt der AK-Ökonom. Das erfordere mehr Anstrengungen im „Training on the Job“, aber vor allem das Ausmerzen der Defizite in der schulischen Ausbildung. Mangelnde Mobilität der Arbeitnehmer ist laut Marterbauer nicht das Problem, sondern fehlender Wohnraum. Neue Jobs gebe es vor allem in Ballungszentren, wo die Bevölkerung stark wachse, es aber zu wenige Wohnungen gebe. Darauf müsse man mit sozialem Wohnbau reagieren, in Wien und allen größeren Städten.
Auch wenn die Zahl der Arbeitslosen heuer wieder um 15.000 Personen sinken soll, geht Marterbauer der Abbau der Arbeitslosigkeit zu langsam voran. „Wir liegen noch immer um 150.000 über dem Stand vor der Finanzkrise.“Dass sich der deutsche Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren besser entwickelt hat als der in Österreich, liege nicht an einer einzelnen arbeitsmarktpolitischen Maßnahme wie dem Mindestlohn, sondern an der unterschiedlichen demografischen Entwicklung. Während die erwerbsfähige Bevölkerung in Deutschland stark geschrumpft ist, sei sie in Österreich stark gestiegen. Das sei nicht nur auf die Migration zurückzuführen, sondern vor allem auf Pensionsreformen. Gegenüber dem Jahr 2010 seien deshalb 200.000 Personen mehr auf dem Arbeitsmarkt, sagt Marterbauer. Das sei zwar grundsätzlich richtig, aber man habe das Problem damit nur auf den Arbeitsmarkt verlagert.
In der Budgetpolitik müsse der Schuldenabbau Vorrang haben, bis 2020 sollte die Verschuldung auf 70 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgeführt werden. 2018 sollte man bereits bei 75 Prozent zu liegen kommen. „Jetzt ist sicher nicht die Zeit, um viel Geld zu verteilen.“