Frankreichs Frauen im Sprachkampf
Wie sexistisch ist die französische Sprache? Feministinnen wollen die Dominanz des Männlichen im Land Molières brechen.
Frankreichs Feministinnen haben die Sprache als Kampffeld entdeckt. Sie wollen die Vorherrschaft des Maskulinen in der Sprache Molières brechen.
Das Mittel dazu ist die „inklusive Schreibweise“, die die männlichen und weiblichen Formen eines Wortes einschließt. Sie besteht aus einem Punkt, der in mittlerer Höhe der männlichen Endung eines Wortes angefügt wird und auf den die weibliche Endung folgt, ergänzt durch einen weiteren Punkt und daran angehängt das Plural-S, zum Beispiel „lecteur.rice.s“, was in Deutsch der Wortkrücke „Leser/Innen“entspricht. Natürlich schreibt sich das nicht so einfach, vor allem per Computer nicht. 2018 sollen erste Rechner auf den Markt kommen, deren Tastatur das Zeichen enthält, mit dem sich der Punkt in mittlerer Höhe setzen lässt.
Lang hat die „inklusive Schreibweise“ein Nischendasein geführt. Doch nach einer Empfehlung des Hohen Rats für Gleichberechtigung ist sie auf dem Vormarsch. Die konservative Oppositionspartei Die Republikaner gebrauche sie ebenso wie Angehörige von Universitäten, berichtete die Zeitung „Le Figaro“. Politiker wie Jean-Luc Mélenchon, der Anführer der linkspopulistischen Bewegung Aufsässiges Frankreich, oder der Ex-Front-NationalVize Florian Philippot haben sich ebenfalls mit dem in mittlerer Höhe gesetzten Punkt auf den Weg des Fortschritts begeben.
Auch erste Schulbücher sind bereits herausgekommen. Ob sie den Schülern zugemutet werden, ist ungewiss. Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer zeigte sich reserviert.
Für die Verfechter der „inklusiven Schreibweise“sei das Französische „grundlegend phallozentrisch“, wie „Le Monde“schreibt. Das sei sie nicht immer gewesen, merkt die Literaturprofessorin Éliane Viennot an. In der Renaissance sei sie weniger sexistisch gewesen als heute. Erst seit dem 17. Jahrhundert habe die männliche Form Oberhand gewonnen. Mit der Kreation weiblicher Titel und Berufsbezeichnungen wie Ministerin, Bürgermeisterin, Professorin oder Rechtsanwältin seien erste Breschen in diese Dominanz geschlagen worden. Doch Gegner wie Antoine Gautier, ein Sprachforscher an der Sorbonne, halten dagegen, dass das Maskulinum nicht wirklich maskulin sei, weil es als Oberbegriff auch das Neutrum einschließe.
In den 1990er-Jahren genügte ein Wort der Académie française, der Hüterin der französischen Sprache, und die Regierung zog eine umstrittene Reform zur Vereinfachung der oft komplizierten Regeln der Rechtschreibung zurück. Zur Frage der „inklusiven Schreibweise“hat sie sich bisher nicht geäußert. Philosoph und Akademiemitglied Michael Edwards drückte aus, was viele seiner Kollegen denken. Sie seien über diesen „ideologischen Angriff“entsetzt. „Die Sprache wird verunstaltet“, sagte er dem „Figaro“, „und große Texte wie die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 würden unlesbar.“