Türkis-blauer Rauch steigt auf
Bei der Mindestsicherung wollen ÖVP und FPÖ den Ländern per Grundsatzgesetzgebung auch die Details vorgeben. Auch bei anderen Themen zeichnet sich Einigkeit ab.
WIEN. ÖVP und FPÖ machen in den Regierungsverhandlungen Meter um Meter. Langsam dringen erste Details an die Öffentlichkeit. Und zwar in diesen Bereichen. Derzeit sind die Mindestsicherungs-Regelungen von Land zu Land unterschiedlich. Das deshalb, weil sich die Bundesländer auf keine gemeinsame Vorgangsweise verständigen konnten. Die ÖVP-dominierten Länder wollten strengere Regelungen, das rot-grün regierte Wien nicht. Damit will die voraussichtliche nächste Regierung Schluss machen – via Grundsatzgesetzgebung, für die sie nur eine einfache Mehrheit im Parlament braucht. Bisher hat der Bund seine Grundsatzgesetzgebungskompetenz im Bereich der Sozialhilfe noch nie angewendet. Nun will er es tun. Dadurch wären alle Bundesländer verpflichtet, die Vorgaben des Bundes umzusetzen. ÖVP und FPÖ könnten so ihre Vorstellungen zur Mindestsicherung österreichweit durchsetzen, vor allem auch gegen die Stadt Wien, die strengere Regeln in diesem Bereich ablehnt. Im Sicherheitsbereich lagen ÖVP und FPÖ nicht weit auseinander. Ein Sicherheitspaket, das Innenminister Wolfgang Sobotka erstellt hatte, liegt bereits vor, konnte aber nicht beschlossen werden, da die SPÖ dagegen war. Beim Thema Europa gibt es ebenfalls eine Einigung. Und zwar auf einen pro-europäischen Kurs. Wobei FPÖ und ÖVP dafür eintreten, dass es in der EU mehr Subsidiarität gibt, Entscheidungen wieder auf die nationale Ebene verlagert werden und die EU vor allem für die großen politischen Fragen zuständig ist. Heftig gerungen wird noch um die direkte Demokratie. Die FPÖ will verpflichtende Volksabstimmungen, wenn etwa vier Prozent der Bevölkerung bei einem Volksbegehren für ein Thema teilnehmen. Der ÖVP ist diese Hürde zu niedrig.
Auch um die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern wird noch gerungen. Die FPÖ will diese ja abschaffen. Gesucht wird nun ein Kompromiss. Dieser könnte die Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft beinhalten, den Kammern aber ein strengeres Reformprogramm verordnen. Und auch im Bildungsbereich tut sich etwas. ÖVP und FPÖ überlegen, die Bildungsreform, die erst vor Kurzem beschlossen wurde, nicht in Kraft zu setzen. Dabei waren unter anderem Versuchsregionen für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen vorgesehen und eine Zusammenlegung der Landesschulräte und der Schulämter der Länder. Bei der Gesundheit scheint türkisblauer Rauch aufzusteigen, der Nichtraucherschutz dürfte gelockert werden. Das geplante generelle Rauchverbot in der Gastronomie wird möglicherweise wieder abgeblasen. Offen bestätigt wurde dies aber nicht. Die rot-schwarze Koalition hatte mit den Grünen 2015 das Totalrauchverbot beschlossen, das im Mai 2018 in Kraft treten soll. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache versprach im Wahlkampf immer wieder, bei einer FPÖ-Regierungsbeteiligung, das „gute, jetzt aufrechte Gesetz“beizubehalten und ein Inkrafttreten des allgemeinen Rauchverbots zu verhindern. Ein Wahlversprechen, an das sich die FPÖ nun halten müsse, sagt Gastronomie-Fachverbandsobmann Mario Pulker den SN. Er freut sich, dass die Koalitionsverhandlungen offenbar in die richtige Richtung liefen und auch die ÖVP sich besinne, „Unternehmerpartei“zu sein.
Ab Mai hätte Österreich ansonsten EU-weit das strengste Rauchverbot, als dessen Folge Betriebe schließen müssten, sagt Pulker. Die Menschen würden trotzdem nicht aufhören zu rauchen. Gesundheitspolitik könne man nicht auf dem Rücken der Betriebe machen. Und falls eine neue Rauchverbotsregelung komme, dürften die Gastronomen jedenfalls nicht erneut zu Umbauten verpflichtet werden, fordert Pulker. Denn nach fünf Jahren komme dann vielleicht eine neue Regierung und schon drohe wieder ein neues für die Gastronomie teures Gesetz.
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