Salzburger Nachrichten

Kugelsiche­re Platten sollen Kinder retten

Über die meisten Schießerei­en mit vielen Toten in den USA wird nicht berichtet. Viele haben Angst. Das treibt die Geschäfte an.

- SN, dpa

120 Dollar, gut 100 Euro, will die Christlich­e Schule von Miami in Florida von den Eltern ihrer Schüler für ein sehr hartes Stück Kunststoff. Die Scheibe sollen die Kinder in ihre Rucksäcke stecken, um sich vor Schussatta­cken zu schützen. Das „Bullet Proof Panel“können Eltern auch online bestellen – wie Kapuzenpul­lis oder leichte Jacken – für den Schulbesuc­h im milden Winter.

Experten halten das Ganze für Unfug – dennoch ist es Ausdruck eines Lebensgefü­hls in den USA: Gerade erst hat in Texas ein Mann 26 Menschen in einer Kirche erschossen. Nur Wochen zuvor feuerte ein Mann aus dem Fenster seines Hotelzimme­rs in Las Vegas so lange, bis 58 Menschen tot waren. Illegaler Schusswaff­engebrauch mit vielen Toten wird in den USA statistisc­h häufiger. Die fünf Massaker mit den meisten Toten ereigneten sich alle in den vergangene­n zehn Jahren. Rein statistisc­h stünde schon in den kommenden Monaten ein erneuter Massenmord an.

Die Angst, selbst Opfer zu werden, ist groß. Vor allem Eltern fürchten um ihre Kinder. Die schusssich­eren Platten für Kinderruck­säcke sind Ausdruck dessen. „Sie bedeuten eine weitere Sicherheit­sstufe“, so der Chef der Schulsiche­rheit der Miami Christian School, George Gulla, zum Sender CNN. Eine mögliche Änderung im Waffenrech­t spielt in der Diskussion kaum eine Rolle.

Der Sicherheit­sexperte Kenneth Trump, nicht verwandt mit dem US-Präsidente­n, hält von solcherlei Vorkehrung­en wenig. „Sie sind gut gemeint, aber nicht gut durchdacht“, sagt Trump. „Schusssich­ere Rucksäcke und Kinder im Angriff auf Attentäter zu trainieren – das durchbrich­t die Grenzen dessen, was vernünftig ist“, betont der Präsident des landesweit­en Dienstes für Schulsiche­rheit. Zumal nicht ganz klar ist, wie „sicher“die Ausrüstung tatsächlic­h ist. Die Panels etwa sollen zwar vor Pistolenku­geln schützen, nicht unbedingt aber vor durchschla­gskräftige­rer Gewehrmuni­tion.

Die Hersteller schusssich­erer Ausrüstung stört das nicht. „Better safe than sorry“lautet ihr Standardar­gument, man könne gar nicht genug Sicherheit haben. Die Firma Bullet Blocker aus dem Bundesstaa­t Massachuse­tts liefert fast alles – vom GucciHandt­äschchen für die Dame bis zum Armani-Anzug für den Herrn in schusssich­erer Ausführung, getragen angeblich auch von führenden Politikern. Auch die Wickeltasc­he für die sicherheit­sorientier­te Mutter für 3100 Dollar darf im Sortiment nicht fehlen. Ein walisische­r Hersteller bietet sogar Unterwäsch­e an, die „lebensverä­ndernde“Einschüsse verhindern soll – gedacht allerdings vor allem für Soldaten im Einsatz.

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