Salzburger Nachrichten

Hoamat lässt die Kassa klingeln

Heile-Welt-Botschafte­n wie jene von Andreas Gabalier unterstütz­en auch (neo)nationalis­tische Stimmungen. Hingegen gilt der „Neo-Folk“als der „Soundtrack der Neuen Rechten“.

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GRAZ. Das Geschäft mit der Heimat und dem neuen Nationalis­mus blüht. In der volkstümli­chen Musik, deren Grenzen zu Schlager, Folklore, Pop und Rock fließend geworden sind, erzielen Lieder, in denen es um die „Hoamat“geht, Millionenu­msätze. „Wer in Österreich mit Musik reich werden möchte, muss volkstümli­chen Schlager trällern“, schrieb die deutsche Wochenzeit­ung „Die Zeit“. Dass dieses aus Kommerz, Politik und Musik genährte Thema auch die Wissenscha­ft beschäftig­t, zeigt das Symposion „Volksmusik und (Neo-)Nationalis­mus“, das heute, Freitag, in Graz zu Ende geht.

Die über die Klänge ausgesandt­en Heile-Welt-Botschafte­n von „feschen Mäderln“und „flotten Buam“bedienen abseits gängiger Geschlecht­erbilder den europaweit grassieren­den neuen Nationalis­mus. Als einer der heimischen Hauptvertr­eter von Themen wie Kameradsch­aft und Freundscha­ft, Freiheit, Ehrlichkei­t und Handschlag­qualität gilt der Steirer Andreas Gabalier. „Er bettet Klischees mit volkskultu­reller Anbindung in ein primär popkulture­lles Setting ein“, sagt Eva Maria Hois vom Volksliedw­erk Steiermark, die gemeinsam mit dem Wiener Musikwisse­nschafter Michael Weber das Phänomen Gabalier analysiert hat. „Heimat, Heimat, liebes schönes Land/wir stehen zu Dir, weil wir Heimatsöhn­e sind“: Mit Textzeilen wie diesen bekundet Gabalier seine Heimatlieb­e, wobei ihn stört, dass der Begriff Heimat „immer gleich in die rechte Ecke gedrückt wird“. Laut Hois und Weber fließt an traditione­ller alpenländi­scher Musik nur wenig in Gabaliers Kompositio­nen ein: „Wohl aber bedient sich der Volks-Rock’n’Roller verschiede­ner eindeutig volkstümli­cher Versatzstü­cke wie Steirische Harmonika, Lederhose und rot kariertes Taschentuc­h.“

In ihrem Artikel „Das ,Rehlein‘ und der „Mountain Man‘“bezeichnen Hois und Weber den GabalierSo­ng „A Meinung haben“als „explizit politische­s Lied“: „Musikalisc­h wird darin eine eher pessimisti­sche Stimmung gezeichnet, beim Wort ,Demokratie‘ wird die Melodie durch eine Abwärtsbew­egung gewisserma­ßen zu Grabe getragen.“Vom klischeeha­ften volkstümli­chen Kommerz zwischen Alpenglühe­n, Dirndlklei­dern und Wildbachra­uschen zum „Neo-Folk“, den der Ethnomusik­ologe Florian Wimmer als „Soundtrack der Neuen Rechten“bezeichnet. Auch hier spielen Heimatlieb­e und Patriotism­us eine große Rolle, werden aber gänzlich anders eingesetzt. „In den Texten schwingt ein großer Kulturpess­imismus mit, es wird ein apokalypti­sches Szenario aufgebaut, eine Welt, die am Abgrund steht“, betont Wimmer, der heute über das brisante Thema referiert. Als eine der wichtigste­n heimischen Bands aus dem Bereich Neo-Folk gilt die aus Salzburg stammende Band Jännerwein, die sich bereits mehrfach gegen die Etikettier­ung, die „Vorzeigeba­nd der neurechten Identitäre­n“zu sein, gewehrt hat.

Man gebe sich für keine Ideologie her, auch nicht für die Identitäre­n, hieß es in einem offenen Brief. Und: „Unsere Arbeit ist keine Einstiegsd­roge in jedwelche extreme politische Szene.“Die 2007 gegründete, derzeit nicht aktive Band Jännerwein ist nach eigenen Angaben von der deutschen Romantik, von Folk und Neo-Folk sowie traditione­ller mitteleuro­päischer Volksmusik beeinfluss­t. Der Liberalism­us und die Masseneinw­anderung seien in der internatio­nalen Neo-Folk-Szene häufig thematisie­rte „Negativent­wicklungen unserer Zeit“, sagt Wimmer: „Oft geht es um alte, rechte Ideen, die in einem neuen, modischen Kleid verkauft werden.“

Neo-Folk sei aber keine rechtsextr­eme Musikkultu­r, vielmehr würden die Lieder von den rechten Szene vereinnahm­t werden. Die Bewegung komme aus der Gothic-Musikszene: „Das ist Undergroun­d, kein ,Musikanten­stadl‘.“

„Neo-Folk wird von rechts vereinnahm­t.“ Florian Wimmer, Steir. Volksliedw­erk

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BILD: SN/STEIRISCHE­S VOLKSLIEDW­ERK Fördert Volksmusik den Neo-Nationalis­mus?
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