Das digitale Buch wartet immer noch auf den Durchbruch
Der Amazon Kindle, das meistverkaufte Lesegerät für E-Books, wird zehn Jahre alt. Doch ausgerechnet um den runden Geburtstag kämpft der US-E-Book-Markt mit drastischen Einbrüchen. Wieso das gedruckte Buch nicht ersetzbar ist.
SALZBURG. Eigentlich gibt es EBook-Reader schon seit den frühen 90ern. 1990 brachte Sony den Data Discman auf den Markt – ein digitales Lesegerät, das man mit MiniCDs füttern musste. Doch so richtig massentauglich wurden E-BookReader erst, als im November 2007 Amazon die erste Generation seines Kindle in den USA lancierte. Mit der Ersteuphorie kamen auch erste Schreckensmeldungen – zumindest für die Druckbranche: Das digitale Buch werde sein Print-Pendant innerhalb weniger Jahre verdrängen.
Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen. Und die Ersteuphorie im EBook-Markt ist verzogen. Sie ist sogar einer gewissen Resignation gewichen. Wie vor Kurzem bekannt wurde, lag in Deutschland der Umsatzanteil von Digitalbüchern im ersten Halbjahr 2017 bei 5,4 Prozent. Damit ist zwar ein Aufwärtstrend erkennbar – aber auf bescheidenem Niveau: 2014 lag der Anteil bei 4,3 Prozent. In den USA und Großbritannien, zwei Vorreitermärkten bei E-Books, verlor das Digitalbuch zuletzt sogar drastisch. Der E-Book-Anteil wird zwar auf traditionell hohe 25 bis 30 Prozent geschätzt. Wie der britische Verlegerverband mitteilte, gingen die Digitalbuchverkäufe 2016 aber um 18 Prozent zurück. Im selben Zeitraum legte das gedruckte Buch um sieben Prozent zu. Die Zahlen der Association of American Publishers sind nahezu deckungsgleich: Auch in den USA ist von einem Rückgang von rund 18 Prozent die Rede.
Dazu passt eine Meldung, die diese Woche bekannt wurde. Der digitalen Lese-Plattform Oolipo des Medienhauses Bastei Lübbe droht das Aus. Das mit hohem finanziellen Aufwand entwickelte Portal für digitale Leseinhalte habe „bei Weitem nicht die erwarteten Nutzerzahlen erreicht“, teilte Bastei Lübbe mit. Bei Oolipo bekommen Leser Zugang zu Geschichten, die eigens für die Smartphone-App entwickelt wurden. Die Fortsetzungsromane sind mit Animationen, Bildern und Tönen angereichert.
Entwickelt sich das Digitalbuch tatsächlich zu einem Rohrkrepierer? So weit würde Klaus SeuferWasserthal nicht gehen. Der Geschäftsführer der Salzburger Rupertus Buchhandlung rät vielmehr, die Entwicklung differenzierter zu sehen. Zwar sei die Entwicklungskurve der Digitalverkäufe „sehr flach“. Seufer-Wasserthal glaubt, dass in Österreich anteilig sogar noch weniger E-Books verkauft werden als in Deutschland. Aber dennoch habe das Digitale unübersehbare Spuren gezogen. „Das gedruckte Buch für verschiedene Themenbereiche gibt es kaum noch“, sagt der Buchhandlungsleiter. Lexika, Reiseführer und Wörterbücher ließen sich immer schwerer verkaufen. Deshalb verkauft die Rupertus Buchhandlung ebenso Digitalbücher und einen E-Book-Reader.
Auch Jan Krone betont, dass das Digitale „weiter zulegen wird“. Der Medienökonom an der FH St. Pölten glaubt aber parallel an das Rieplsche Gesetz, wonach kein etabliertes Medium von einem anderen völlig verdrängt wird.
Doch was macht den Reiz von Gedrucktem aus? Krone kennt „rund 50 Faktoren, die zum Teil zwar romantisch verklärt, aber deshalb nicht weniger gültig sind“. Viele Onlineangebote würden den Leser überfordern. Print sei hingegen „zeitschonender und gemütlicher“.
Dazu kommen laut Krone klassische physische Argumente. Gedrucktes sei zum einen für die Augen angenehmer, zum anderen habe das Haptische für den Menschen eine besondere Faszination. „Analoge Medien sind an der menschlichen Biologie viel dichter dran. Digitale Medien sind hingegen oft mit Arbeit verbunden, sie wirken kalt.“Und der Experte gibt ein konkretes Beispiel: „Gehen Sie in ein Buchgeschäft. Dann merken Sie, welche Euphorie Kinder bei gedruckten Büchern zeigen.“Bernadette Kamleitner ist ähnlicher Ansicht. „Es ist das Haptische, dem man Permanenz und etwas Substanzielleres zuschreibt“, sagt die Konsumentenpsychologin an der WU Wien.
Diesen Effekt kennt auch Klaus Seufer-Wasserthal. Das Lesen mit dem Bleistift in der Hand sei „immer noch etwas anderes“. Dazu sei der Geschenkaspekt nicht zu vernachlässigen: „Es ist halt nicht so hübsch, einen Link oder Code zu verschenken.“Dazu passt eine Statistik aus Großbritannien. In der Vorweihnachtszeit 2016 gaben die Briten mehr Geld für Schallplatten als für digitale Downloads aus.
Doch wo wird die Reise hingehen? „Zumindest mittelfristig werden analoge Medien weiter eine gewichtige Rolle spielen. Die kommenden zwei, drei Generationen auf jeden Fall“, meint Medienökonom Jan Krone. Buchhändler Klaus Seufer-Wasserthal glaubt an eine Zukunft, bei der sowohl Gedrucktes als auch Digitales – vor allem im belletristischen Bereich – Erfolg haben werden. „Auf Flugreisen greift man zum E-Book, im Bus oder in der UBahn liest man auf dem Smartphone und im Liegestuhl greift man zum gedruckten Buch“, sagt SeuferWasserthal. Denn die Ausgangslage sei simpel: „Leute, die lesen, werden auch weiterhin lesen. Sie lesen nur mittlerweile auf vielen Kanälen.“
„Das gedruckte Buch für verschiedene Themen gibt es kaum noch.“ Klaus Seufer-Wasserthal, Buchhändler