Wie Regieren funktionieren kann
Wer nach einem zusätzlichen Beweis dafür suchte, dass die alte SPÖ-ÖVP-Regierung nicht mehr handlungsfähig und arbeitswillig war, wurde bei der konstituierenden Nationalratssitzung am Donnerstag gleich mehrfach fündig. Was da an gegenseitigen Spitzen zwischen roten und schwarzen Mandataren hin und her flog, deutete auf eine tiefgehende nicht nur politische, sondern auch menschliche Zerrüttung hin. Die Polemik gipfelte im Ratschlag des noch amtierenden Bundeskanzlers Christian Kern an die Herren Kurz und Strache, sich angesichts ihrer öffentlich zur Schau getragenen gegenseitigen Sympathiekundgebungen doch bitte eine Wohnung zu nehmen. Dass bei der Wahl des Nationalratspräsidiums SPÖ und ÖVP dann, ätsch, gegen die Kandidatin der jeweils anderen Partei stimmten, rundete das Bild. Zwischen SPÖ und ÖVP ist es aus. Bis auf Weiteres.
Genau dies ist übrigens die Chance für die wahrscheinlich nächste Koalition aus ÖVP und FPÖ. Man muss diese Koalition nicht lieben, doch im Interesse des Landes muss man ihr den Ratschlag geben, sich eine neue, bessere Form der Zusammenarbeit zu verordnen. Die Endphase der rot-schwarzen Regierung war geprägt von gegenseitigen Beschädigungsversuchen – man denke an Kanzler Kern, der zu Jahresbeginn mit seinem einseitig ausgerufenen „Plan A“den Koalitionspartner überrumpelte. Man denke an Innenminister Wolfgang Sobotka, der sich weigerte, das runderneuerte Koalitionsabkommen zu unterfertigen. Man denke an Kanzler Kern, der ÖVP-Minister als SMS-gesteuerte Büttel des niederösterreichischen Landeshauptmannes verhöhnte. Man denke an ÖVP-Klubchef Lopatka, der der SPÖ eine ÖVP-kompatible Rechnungshofpräsidentin aufzwang. So kann eine Regierung nicht funktionieren.
Funktionieren kann sie hingegen, wenn die Partner einander mit Respekt begegnen, wenn sie einander Luft zum Atmen lassen und wenn sie die Vorschläge des anderen nicht bereits abschießen, kaum dass sie geäußert werden. Klingt banal? Wäre aber eine Revolution nach einem Jahrzehnt rotschwarzen Dauerstreits.