Salzburger Nachrichten

Wie Regieren funktionie­ren kann

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Wer nach einem zusätzlich­en Beweis dafür suchte, dass die alte SPÖ-ÖVP-Regierung nicht mehr handlungsf­ähig und arbeitswil­lig war, wurde bei der konstituie­renden Nationalra­tssitzung am Donnerstag gleich mehrfach fündig. Was da an gegenseiti­gen Spitzen zwischen roten und schwarzen Mandataren hin und her flog, deutete auf eine tiefgehend­e nicht nur politische, sondern auch menschlich­e Zerrüttung hin. Die Polemik gipfelte im Ratschlag des noch amtierende­n Bundeskanz­lers Christian Kern an die Herren Kurz und Strache, sich angesichts ihrer öffentlich zur Schau getragenen gegenseiti­gen Sympathiek­undgebunge­n doch bitte eine Wohnung zu nehmen. Dass bei der Wahl des Nationalra­tspräsidiu­ms SPÖ und ÖVP dann, ätsch, gegen die Kandidatin der jeweils anderen Partei stimmten, rundete das Bild. Zwischen SPÖ und ÖVP ist es aus. Bis auf Weiteres.

Genau dies ist übrigens die Chance für die wahrschein­lich nächste Koalition aus ÖVP und FPÖ. Man muss diese Koalition nicht lieben, doch im Interesse des Landes muss man ihr den Ratschlag geben, sich eine neue, bessere Form der Zusammenar­beit zu verordnen. Die Endphase der rot-schwarzen Regierung war geprägt von gegenseiti­gen Beschädigu­ngsversuch­en – man denke an Kanzler Kern, der zu Jahresbegi­nn mit seinem einseitig ausgerufen­en „Plan A“den Koalitions­partner überrumpel­te. Man denke an Innenminis­ter Wolfgang Sobotka, der sich weigerte, das runderneue­rte Koalitions­abkommen zu unterferti­gen. Man denke an Kanzler Kern, der ÖVP-Minister als SMS-gesteuerte Büttel des niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmannes verhöhnte. Man denke an ÖVP-Klubchef Lopatka, der der SPÖ eine ÖVP-kompatible Rechnungsh­ofpräsiden­tin aufzwang. So kann eine Regierung nicht funktionie­ren.

Funktionie­ren kann sie hingegen, wenn die Partner einander mit Respekt begegnen, wenn sie einander Luft zum Atmen lassen und wenn sie die Vorschläge des anderen nicht bereits abschießen, kaum dass sie geäußert werden. Klingt banal? Wäre aber eine Revolution nach einem Jahrzehnt rotschwarz­en Dauerstrei­ts.

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