„Politik ist eine ganz andere Welt“
Familienministerin kehrt in ihren Betrieb zurück, bereut ihren Schritt ins Ministerium aber nicht.
Aus der Wirtschaft in die Politik und bald wieder zurück. Sophie Karmasin zieht Bilanz und erklärt, was der Unterschied zwischen der Führung eines Unternehmens und der eines Ministeriums ist. SN: Zurzeit gibt es eine heftige Debatte über Sexismus. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Ministerium damit gemacht? Sophie Karmasin: Man muss zwischen der persönlichen und der allgemeinen Ebene trennen. In meiner Amtszeit als Ministerin ist mir aus meinem Haus kein Vorfall bekannt. Was aber nicht heißt, dass das Problem nicht existiert. Es ist jedenfalls erschreckend, was da in den vergangenen Wochen alles bekannt wurde. Was sich Peter Pilz geleistet haben soll, ist erschreckend und aufklärungsbedürftig. Auch die Wahrnehmung, dass die Männer die Armen sind, weil sie nicht mehr wissen, was sie machen dürfen, ist eine Themenverfehlung. Es geht um Ausnützung von Machtverhältnissen und um Handlungen, die das Gegenüber nicht will. SN: Sie waren vier Jahre in der Politik, sind aus der Wirtschaft gekommen. Wo liegen die Unterschiede? Als Unternehmerin handelt man pragmatischer, lösungsorientierter und auch mit einem wirtschaftlichen Blick. Das ist ein Vorteil. Allerdings widerspricht das oft dem politischen Alltag. In der Politik geht alles viel langsamer. Da gibt es mehr langatmige Diskussionen, weil ein Konsens zwischen den verschiedenen Gruppen gefunden werden muss. Oft steckt auch Strategie dahinter, um etwas zu verhindern. Politik ist eine ganz andere Welt, nur schwer zu vergleichen. Aber umso mehr braucht es die Erfahrung von außen, damit sich etwas ändert. SN: Wie stark sind die Widerstände, mit denen Sie konfrontiert waren? Wie stark sind die Seilschaften in der Politik eigentlich? Ich kann nur über meine eigenen Erfahrungen reden. In der alten ÖVP waren sie stark. Jemand, der schon 25 Jahre in der Politik ist und weiß, wen er ansprechen muss, hat es sicher leichter. SN: Sie haben mit dem Familienministerium eines der ideologisch am stärksten umkämpften Ressorts geführt. War das eine besondere Herausforderung? Es ist eine, auch mediale, Grundannahme, dass man ideologiefrei Politik machen kann. Das funktioniert aber nicht. In der Politik geht es darum, eine Vorstellung von einem guten Leben zu definieren und zu entscheiden , wie das Land funktionieren soll. Da ist immer eine Form der Ideologie dahinter. Beim Thema Familie ist das besonders stark ausgeprägt, weil es jeden betrifft. SN: Sie haben immer eine sehr liberale Familienpolitik gemacht. Nicht immer zum Gefallen von Teilen der ÖVP. Mein Auftrag, der auch vom damaligen Parteichef Michael Spindelegger so gesehen wurde, war, das Familienbild der ÖVP zu öffnen und ihm einen moderneren Zuschnitt zu geben. Ich bin der Meinung, dass es funktioniert hat. Am Anfang ist das sicher auf Widerstand gestoßen, aber es ist so, wenn man etwas verändern will. Mittlerweile ist es keine Frage mehr, ob es in einer kleinen Gemeinde eine Kinderbetreuungseinrichtung geben soll, sondern wie man das macht und wie viele Plätze in den kommenden Jahren notwendig sind. Es ist inzwischen allen klar, dass eine funktionierende Kinderbetreuung ein Standortvorteil ist. Und dass sich Väter an der Betreuung der Kinder beteiligen, ist inzwischen ebenfalls „Common Sense“. SN: Was waren die großen Entscheidungen in Ihrem Ressort? Ein Meilenstein war sicherlich die Ausbauoffensive des Bundes für die Kinderbetreuungseinrichtungen. Dadurch sind 40.000 neue Plätze entstanden, das ist ein riesiger Schritt.
Wie auch das neue Kindergeldkonto, durch das wir die Rolle der Väter in der Betreuung gestärkt haben und das vor allem die Mütter bei der rascheren Rückkehr in den Beruf unterstützt. Österreich lag vor vier Jahren im EU-Vergleich bei der Familienfreundlichkeit noch auf dem vorletzten Platz. Heute liegen wir an zweiter Stelle. Für mich war auch das Rauchverbot für Jugendliche unter 18 Jahren eine wichtige Einigung. Österreich hat europaweit die höchste Raucherquote bei den unter 18-Jährigen. Sie muss mit allen Mitteln gesenkt werden, da gibt es kein rationales Argument dagegen. SN: Warum ist eigentlich die SPÖ-ÖVP-Koalition gescheitert? Man hatte zeitweise das Gefühl, es geht nur noch darum, sich gegenseitig ein Bein zu stellen. Es ist schwierig, wenn man sich in den Grundfragen nicht versteht und eine ganz andere Herangehensweise an Probleme hat. Zudem hat sich viel Missmut und Misstrauen in den letzten beiden Legislaturperioden aufgestaut. SN: Ging das auch ins Persönliche? Das war das Belastende. Im Wahlkampf ist das dann offensichtlich geworden. SN: Was unterscheidet die alte ÖVP von der neuen ÖVP? Sebastian Kurz ist jemand, den man ansprechen kann, der mit einem ein Problem diskutiert. Das ist eine ganz andere Qualität in der Zusammenarbeit, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Von außen betrachtet wirkt die neue Volkspartei dynamischer, lebendiger, klarer und prägnanter. SN: Die Volkspartei hat einen gewissen Rechtsruck durchgemacht. Mit der Freiheitlichen Partei wollten Sie nie zusammenarbeiten. Daher Ihr Abschied? Ich habe immer gesagt, dass ich nur eine Periode in der Politik bleiben werde, das war mit Michael Spindelegger so besprochen und das habe ich auch Sebastian Kurz gesagt. Für mich ist das die richtige Entscheidung. SN: Mit Ihrem heutigen Wissen – würden Sie noch einmal in die Politik gehen? Absolut. Die Zeit als Familien- und Jugendministerin war für mich eine große Ehre und Bereicherung.