Salzburger Nachrichten

Über Korruption wird kaum berichtet

Journalist­en in Serbien klagen über massiven Druck aus der Politik und über die Folgen dieser staatliche­n Kontrolle. Machtmissb­raucher kommen ungeschore­n davon: „So sieht es aus, wenn es keine freien Medien gibt.“

- N-ost

BELGRAD. In Serbien sind viele Menschen auf die Überweisun­gen von Verwandten angewiesen, die im Ausland arbeiten. Dies gilt nicht nur für Normalbürg­er, sondern auch für Verteidigu­ngsministe­r Aleksandar Vulin, der sich eine Wohnung nahe der Belgrader Innenstadt gekauft hat. Die Wohnung soll rund 250.000 Euro gekostet haben. Geld, das Vulin aufgrund seiner Bezüge von weniger als 1000 Euro im Monat gar nicht haben dürfte. Als die Antikorrup­tionsbehör­de sich für den Fall interessie­rte, sagte der Verteidigu­ngsministe­r, er habe das Geld von seiner Tante aus Kanada geliehen. Da er keine Überweisun­g des Geldes vorweisen konnte, behauptete er, das Geld in bar eingeführt zu haben. In Serbien müssen Summen von über 10.000 Euro beim Zoll gemeldet werden, was er nicht getan hat.

Die Erklärung des Verteidigu­ngsministe­rs: Er habe die Tante in Kanada 23 Mal besucht und jedes Mal 9000 Euro eingeführt. Wo die Tickets geblieben sind, weiß er nicht; und auch die ominöse Tante in Kanada konnte bisher niemand erreichen. Die Antikorrup­tionsbehör­de gab den Fall an die Staatsanwa­ltschaft weiter. Diese stellte den Fall ein, weil angeblich keine Beweise gegen den Minister vorliegen.

Der serbische Verteidigu­ngsministe­r ist nicht das einzige Regierungs­mitglied in Serbien, das sich einen Lebensstil leistet, den er mit seinen offizielle­n Bezügen nicht erklären kann. Und er ist nicht der erste Politiker, gegen den die Staatsanwa­ltschaft nicht ernsthaft ermittelt. Die Justiz haben korrupte Regierungs­mitglieder in Serbien derzeit kaum zu fürchten. Auch die größten Medienhäus­er werden direkt oder indirekt von der Regierung beeinfluss­t und berichten kaum über Korruption­svorwürfe. Viele serbische Journalist­en berichten über den Druck, der auf sie ausgeübt wird. Zitieren lassen wollen sie sich nicht. Zu groß sei die Gefahr, den Job zu verlieren, heißt es. Massiver Druck lastet insbesonde­re auf den Investigat­ivjournali­sten: Als das Investigat­ivnetzwerk KRIK die pikanten Details über den Wohnungska­uf des Verteidigu­ngsministe­rs recherchie­rte, startete die Regierung eine Schmutzkam­pagne. Der Chef von KRIK, Stevan Dojčinović, sagte auf einer Medienkonf­erenz in Belgrad: „Die Regierung in Serbien sabotiert investigat­iven Journalism­us.“

Um die Pressefrei­heit in Serbien steht es schlecht. Vor einem Monat demonstrie­rten unabhängig­e Medien und zivile Gruppen, indem sie auf Titelseite­n und Webauftrit­ten ein großes schwarzes Feld druckten, darauf in weißen Lettern: „So sieht es aus, wenn es keine freien Medien gibt.“Anlass des Protests war die Schließung der „Vranjske“aus der gleichnami­gen südserbisc­hen Stadt. Das Magazin berichtete über Korruption und Netzwerke aus Politik, Halbwelt und Unternehme­rn. Die Redakteure erhielten Morddrohun­gen, dann blieben die Anzeigen öffentlich­er Unternehme­n aus, weil Druck ausgeübt wurde, und am Ende wurden Steuerfahn­der auf die regierungs­kritische Zeitung angesetzt. Resultat: Das Blatt musste schließen. In den Redaktione­n herrscht Selbstzens­ur aus Angst, wichtige öffentlich­e Anzeigenku­nden zu verlieren.

Regierung sabotiert Recherche der Presse

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