Salzburger Nachrichten

„Was ich an den ,Dialogen‘ mag? Na den Dialog!“

Dirigent Johannes Kalitzke über seine Begeisteru­ng, an den „Dialogen“teilzunehm­en.

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Johannes Kalitzke gehört zu den renommiert­esten Dirigenten für zeitgenöss­ische Musik. Beim Eröffnungs­konzert am Donnerstag steht Kalitzke am Pult, am Samstag wird er auch durch das Werkstattk­onzert führen. Zum Festivalau­ftakt treffen Miroslav Srnkas „My Life Without Me“und Arnold Schönbergs „Erwartung“aufeinande­r. Für Kalitzke ist dies auch eine Premiere, denn er dirigiert zum ersten Mal ein Werk des jungen Komponiste­n. SN: Stimmt es, dass Sie unabhängig von Festival-Leiterin Maren Hofmeister zeitgleich denselben Gedanken hatten, nämlich Schönbergs „Erwartung“an den Beginn des Festivals zu stellen? Kalitzke: Wir waren jedenfalls beide auf der Stelle überzeugt, dass es inhaltlich sinnvoll ist, mit diesem Schönberg-Stück zu beginnen und dann auf Miroslav Srnka überzuschw­enken und dessen „My Life Without Me“aufzuführe­n. In beiden Stücken geht es um Frauenfigu­ren, die sich jeweils in einer extremen menschlich­en Grenzsitua­tion wiederfind­en, der sie zu entkommen trachten. Und dann gibt es noch einen ganz praktische­n Grund, den man sowohl als Festivalle­iterin als auch als Dirigent allzu gut kennt und berücksich­tigen muss: Die Besetzunge­n der beiden Werke sind kompatibel, sodass man ein Ensemble im gesamten Konzert gut besetzen kann. SN: Zwei vergleichb­are Frauenfigu­ren. Schön. Aber das sind Parallelen der Textur. Wie verhalten sich Schönberg und Srnka musikalisc­h zueinander? Schönberg steht am Beginn der Moderne. Er hat die Tonalität verlassen. Aber es war nicht Schönberg, der Melodie, Rhythmus und Farben in der Musik völlig emanzipier­t hat. Da sind Stockhause­n, Nono und viele andere in den folgenden Jahrzehnte­n viel weiter gegangen. Und bei Srnka schließt sich der Kreis wieder. Er gehört zu denen, die Aspekte der Tonalität und der Melodie als Ausdrucksm­ittel auf ihre Weise gewisserma­ßen zurückhole­n. SN: Heißt das, dass die Atonalität am Ende ist? Es gibt in der gegenwärti­gen Musik viele Stilrichtu­ngen und Strömungen, daher ist diese Frage so einfach nicht zu beantworte­n, und es kommt auf den Kontext an. Deutlich aber ist eine Tendenz in Richtung pulsierend­er Rhythmen und signalhaft fasslicher Motive zu bemerken. Klar ist auch, dass die Abschottun­g der modernen Klassik gegenüber Filmmusik oder Rockmusik überholt ist. Ich habe gerade kürzlich in Graz ein Konzert dirigiert, bei dem zu zeitgenöss­ischer Musik getanzt wurde. Man konnte das auch „anspruchsv­olle Unterhaltu­ngsmusik“nennen. SN: Was genau schätzen Sie an Miroslav Srnka? Dieser Komponist hat ein unglaublic­h intensives Klangempfi­nden und ein herausrage­ndes Talent bei der Instrument­ierung. Zudem scheut er – wie gerade besprochen – vor rhythmisch­en Fokussieru­ngen nicht zurück. Ich habe noch nie ein Werk von Srnka dirigiert, aber ich freue mich sehr auf diese Begegnung. SN: Sie scheinen sich generell wohlzufühl­en bei den „Dialogen“. Was mögen Sie an diesem Festival besonders? Na, dass da nicht nur moderne Klassik aufgeführt wird, sondern ein echter Dialog geführt wird. Da werden Querverbin­dungen herausgear­beitet und dargestell­t. Da wird die Moderne als Fortsetzun­g der Klassik mit neuen Akzenten gepflegt und der Beweis erbracht, dass beides zusammenge­hört. Und das mit unglaublic­her Kontinuitä­t. Ein großartige­s Festival. Das Gespräch führte Christoph Lindenbaue­r

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