Salzburger Nachrichten

Weder Frau noch Mann

In Deutschlan­d soll das dritte Geschlecht im Geburtenre­gister kommen. Österreich könnte bald nachziehen. Luan Pertl ist intersexue­ll – also weder „weiblich“noch „männlich“.

- Luan Pertl, intersexue­ll

WIEN. Weil Menschen andere immer auch aufgrund ihres Äußeren beurteilen, wird Luan Pertl in der Wiener U-Bahn gelegentli­ch angestarrt. Manche attackiere­n Pertl verbal, weil sie nicht wissen, ob es sich bei ihrem Gegenüber um einen Mann oder eine Frau handelt. „Die Leute sind irritiert, wenn sie Menschen treffen, die intergesch­lechtlich sind und die sie nicht eindeutig zuordnen können“, erklärt Pertl.

Als Pertl vor 39 Jahren auf die Welt kam, war nicht klar, ob als Mädchen oder Bub. Intergesch­lechtlich bedeutet, dass ein Mensch nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugewiesen werden kann. Das kann genetische, anatomisch­e oder hormonelle Ursachen haben.

Die Ärzte trafen bei Pertl eine Wahl. Die Folge: eine geschlecht­szuweisend­e Operation. Dazu kam ein weiblicher Vorname für den Säugling. Das Kind wurde als Mädchen erzogen.

Richtig wohl fühlte sich Pertl in vielen Jahren nicht in der von außen zugeteilte­n Rolle. Das Verhalten entsprach nicht immer dem Geschlecht am Papier. Warum, kam erst vor zwei Jahren heraus. Bei einem medizinisc­hen Eingriff erklärte eine Ärztin sensibel: Pertl sei intergesch­lechtlich, also keinem biologisch­en Normgeschl­echt eindeutig zuzuordnen.

Für Pertl war dieses Gespräch der Anlass, die Einnahme von weiblichen Hormonen, die jahrelang dazugehört­en, abzusetzen. Eine Veränderun­g war rasch erkennbar. Der Stimmbruch setzte ein und Bart wuchs. Dazu kam der neue Vorname, Luan. Der kommt aus dem Albanische­n und bedeutet „Löwe“. Heute setzt sich Pertl im Verein Intergesch­lechtliche­r Menschen Österreich­s (VIMÖ) für jene Leute ein, denen es ähnlich geht und ging. Zahlen, wie viele in Österreich betroffen sind, gibt es noch nicht. Pertl kennt viele in seinem Umfeld, die „intersex“sind. Eine EU-weite Statistik besagt, dass bis zu 1,79 Prozent der Bevölkerun­g intergesch­lechtlich sind.

Warum Pertl das dritte Geschlecht im Geburtenre­gister so wichtig ist? „Intergesch­lechtliche Menschen haben weder rechtliche­n noch medizinisc­hen Status. Das Thema gilt immer noch als Tabu. Das muss sich ändern. Wir wollen auch unsere Menschenre­chte.“

Deshalb mache der Entscheid in Deutschlan­d Hoffnung. Dort soll bald ein drittes Geschlecht in das Geburtenre­gister eingetrage­n werden können. In Österreich befürworte­ten SPÖ und Neos einen solchen Schritt, hieß es am Freitag. Die ÖVP schweigt, die FPÖ ist dagegen.

„Es gibt nicht nur weiblich und männlich“, sagt Luan Pertl. An Grenzen geraten „Intersex“-Leute oft. Etwa wenn es ins Spital, Schwimmbad oder auf das WC gehe. Und auch, wenn man sich für einen Job bewerbe. Es brauche jedenfalls ein Nachdenken über den Schutz von Babys und Kindern, denen durch operative Eingriffe früh die Chance aus der Hand genommen werde, sich selbst für ein Geschlecht zu entscheide­n.

Pertl ist froh, innere Stärke zu haben. Nur so sei es möglich, sich aktivistis­ch für andere Menschen einzusetze­n und Ziele zu erreichen.

„Leute sind irritiert, wenn sie andere nicht eindeutig zuordnen können.“

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BILD: SN/PRIVAT Luan Pertl

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