Thiems „harter Zuchtmeister“
Wie Günter Bresnik seinen Schützling vor London auf Spur bringt und welchen Ruf sich das Duo im Welttennis erarbeitet hat.
Der Countdown für Österreichs Tennisstar zum finalen Showdown läuft. Seit Mittwochabend ist Dominic Thiem in London, am Donnerstagabend luden die Veranstalter der ATP World Tour Finals zum glamourösen Essen in den Tower of London. Ansonsten gab es harte Trainingseinheiten. Jeweils unter den strengen Augen von Trainer Günter Bresnik, schließlich will Thiem beim Turnier der acht Besten die Trendwende schaffen und noch einmal aufzeigen.
Erster Gegner in der imposanten O2-Arena ist am Montag (15 Uhr) der Bulgare Grigor Dimitrov. Eigentlich hätte Thiems Gruppe „Sampras“bereits am Sonntag spielen sollen, doch auf den ausdrücklichen Wunsch von Rafael Nadal, der am Montagabend (21 Uhr) gegen David Goffin startet, zog man die „Becker“-Gruppe vor. Der spanische Superstar hatte sich wegen seiner Kniebeschwerden einen Tag mehr Vorbereitungszeit erbeten.
Apropos Vorbereitung: Die lief für Thiem in puncto Leistungen und Ergebnissen der vergangenen zwei Monate bekanntlich gar nicht nach Wunsch. Die letzte Woche vor dem abschließenden Saison-Höhepunkt ortete Bresnik bei seinem Schützling im Training aber einen „Quantensprung“. Rund vier Stunden täglich verbrachte der 24-Jährige auf dem Tennisplatz. „Zuerst haben wir komplett an der Basis gearbeitet. Wie bei einem Zwölfjährigen“, erklärt Bresnik. Nach dem Techniktraining mit Bällen aus dem Korb wurden dann Sparringpartner hinzugezogen. „Jetzt wird man sehen, wie schnell er wieder mit dem Tempo der Besten hier zurechtkommt“, sagt Bresnik.
Der 56-jährige Wiener ist nicht bekannt dafür, Kompromisse einzugehen. Er zieht seine Linie in allen Bereichen akribisch und beinhart durch. Im Training wie in der Turnierplanung. Auf Argumente, die Thiems Formkrise in einer zu dichten Turnierplanung begründen, reagiert Bresnik schon allergisch: „Das kann ich nicht mehr hören. Wenn ein Profisportler nicht 70 Matches im Jahr spielen kann, hat er den Beruf verfehlt.“Nicht umsonst bezeichnet ihn die ATP in einem Feature im Vorfeld des Saisonfinals als „harten Zuchtmeister“, der mit seinem Schützling so eng verbunden ist wie kein zweiter Coach auf der Tour. Schließlich bilden die beiden seit über einem Jahrzehnt ein unzertrennliches Gespann. Nur Nadals Onkel Toni hatte seine Finger schon bei „Klein Rafa“im Spiel.
Thiem bekam im gleichen Artikel den Beinamen „Iron Man“. Der Mann, der im Tennis am härtesten arbeiten würde. Keiner hätte so viel investiert, um beim Turnier der Crème de la Crème dabei zu sein. „Dominic Thiem ist der Stachanow der Tenniswelt“, urteilt die ATP. Jener Bergmann war in den 1930erJahren die Figur der sowjetischen Bewegung zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und wurde als „Held der Arbeit“ausgezeichnet. Diesen Ruf hat sich Thiem nun im wahrsten Wortsinn erarbeitet. Der Ertrag stellt sich nun schon im zweiten Jahr in Folge ein. Thiem hat sich als Nummer vier der Welt inmitten der Federers und Nadals etabliert. Geht es nach der ATP, dann hat Thiem auch noch Luft nach oben: „In einer Ära, in denen die Champions wieder älter werden, ist die Zeit auf seiner Seite.“
Ein anderer, dem die Zukunft gehört, ist schon am Sonntag (21 Uhr) im Einsatz. Alexander Zverev erregt international sogar noch mehr Aufmerksamkeit, schließlich ist er mit erst 20 Jahren schon die Nummer drei der Welt und hat heuer in Rom und Montreal triumphiert, dabei unter anderen Roger Federer besiegt. Der Schweizer ist auch sein Gruppengegner, neben Nadal die Lichtgestalt in London und auch für Bresnik der „haushohe Favorit“auf den Titel. Es wäre sein siebter. Federer eröffnet am Sonntag (15 Uhr) gegen Jack Sock.