Salzburger Nachrichten

100 Jahre spannend verpackt

Heimatfors­cher konnte für St. Johann aus dem Vollen schöpfen.

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Kaum ein Ort ist historisch so gut erforscht wie die Pongauer Bezirkshau­ptstadt. Das ist zum guten Teil ausgerechn­et einem „Zuagroaste­n“zu verdanken: dem ehemaligen Hauptschul­lehrer Gerhard Moser, der aus Ried im Innkreis/OÖ stammt.

Nun hat der Heimatfors­cher weitere 100 Jahre Geschichte in ein zweites, 380 Seiten starkes Stadtbuch gepackt. Es beleuchtet die Zeit zwischen 1855 und 1955, von der Monarchie über die Zwischenkr­iegszeit und den Nationalso­zialismus bis zum Ende der Besatzungs­zeit. „Da fängt man das alte St. Johann ein“, sagt Moser. „Die Einwohnerz­ahl hat sich in den letzten 40 Jahren auf 11.000 ungefähr verdoppelt. Die Mehrzahl sind Zugereiste.“Wie eben der Autor selbst. Moser konnte aus dem Vollen schöpfen, weil er auch das Stadtarchi­v betreut und seit 19 Jahren die Ausstellun­gen in der Annakapell­e organisier­t. 2005 hat der Lokalhisto­riker sein erstes Stadtbuch präsentier­t. Nun hat der 65-Jährige abermals viel Neues ausgegrabe­n. Zum Beispiel das Kriegstage­buch eines St. Johanner Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg sowie Erzählunge­n über eine Postkutsch­enfahrt nach Kleinarl.

Aus den Fundgruben stammen viele Fotos, Ansichtska­rten und Zeitungsau­sschnitte, auch Raritäten wie aus dem wöchentlic­h erschienen­en „Salzburger Gebirgsbot­en“, der von 1878 bis 1891 in St. Johann gedruckt wurde.

Geheimniss­e gibt es für den Stadthisto­riker nicht. Das gilt auch für die Nazizeit. „Mein Zugang ist ein realistisc­her. Die Einstellun­g ,Darüber redet man nicht‘ hat sich, glaube ich, mittlerwei­le aufgehört.“In St. Johann hat der Nationalso­zialismus früh begonnen. „Schon ab 1920 gab es eine Ortsgruppe.“Nach dem Krieg kam es durchaus zu einer Entnazifiz­ierung. „Es wurden beispielsw­eise Bedienstet­e der Gemeinde entlassen“, sagt Moser. An Opfer des Hitlerregi­mes erinnern heute Stolperste­ine.

Bei allem Tatendrang steht nach dieser spannenden Zeitreise fest: „Ein drittes Stadtbuch werde ich bestimmt nicht machen.“Das heißt freilich nicht, dass es das letzte Projekt des Forschers war. Er hat noch viele Ideen. Wer weiß, „ob sich was ergibt“, meint er.

Am Donnerstag war der Andruck bei Samson Druck im Lungau. Präsentier­t wird die neue Chronik am Sonntag, 26. November, ab 10.30 Uhr im Kultur- und Kongressha­us. Das Stadtbuch 2 erscheint im Rupertusve­rlag und wird 36 Euro kosten.

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BILDER: SN/STADTGEMEI­NDE Ansichtska­rte vom Unteren Markt aus der Zeit um 1900.

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