Auf zu Leopoldine!
Zwar kommt der Musiker Herbert Lindsberger nicht vom Fensterln, ist aber doch einer faszinierenden Frau hinterher. Ihretwegen reist er jetzt sogar nach Brasilien.
200 Jahre nach Leopoldines Ankunft wird dies in Brasilien gefeiert. Dank Unterstützung des Außenministeriums wird Herbert Lindsberger dabei sein – in Konzerten in der portugiesischen Botschaft in Rio und in der Kirche Igreja de Nossa Senhora da Glória, dem „Lieblingsrückzugsort Leopoldines“. Danach gehe es nach Brasília für ein Konzert in der österreichischen Botschaft.
Das Foto zeigt den Verehrer Leopoldines mit seinem Instrument nicht deshalb an einer Salzburger Hausfassade, weil er vom Fensterln kommt. Das Entscheidende ist die Inschrift! Mit dieser wird jenes Mannes gedacht, der – wie Lindsberger sagt – „der wichtigste Musiker für Leopoldine“gewesen ist: Sigismund Neukomm.
Das war ein Salzburger, dem diese Stadt so entsetzlich fad und unnütz gewesen ist, dass er 19-jährig nach Wien abtschapiert ist, von dort nach Petersburg zog, weiter nach Paris und dann mit dem luxemburgischen Botschafter 1816 nach Brasilien reiste, wo er bis 1832 bleiben sollte.
In Salzburg wurde der einstige Schüler Michael Haydns kaum beachtet und fast vergessen – außer dass eine Gasse in Gneis nach ihm heißt. Dabei war er maßgeblich an einer Großtat beteiligt: Er war ein Initiator für die Errichtung des Mozart- denkmals, hat bei der Enthüllung die Festrede gehalten und dafür die Hymne „Heil dir, o theures Vaterland!“komponiert. 1961 ließ der Salzburger Unternehmer Franz Gollhofer am Hagenauerplatz die Gedenktafel anbringen. Und im Vorjahr wurde mehrmals Neukomms gedacht – etwa im Film „Saudade“von Ulrike Halmschlager und Herbert Lindsberger sowie beim Festival „Salzburgs verlorene Söhne und Töchter“der Bachgesellschaft.
Um das Renommee dieses Salzburgers zu fördern, nutzt Herbert Lindsberger die brasilianischen Festlichkeiten zu Ehren Leopoldines. Das Konzertprogramm dafür, das er mit seinem Ensemble Academia Leopoldina aufführen wird, hat er bedacht ausgewählt: In der Kirche Igreja da Glória wird Mozarts Requiem in einer Version für Streichquartett gespielt, weil Neukomm dieses Werk in die Neue Welt gebracht hat – die Erstaufführung in Brasilien war vor jener in den USA.
Übrigens habe Neukomm auch Werke Michael und Joseph Haydns in Brasilien eingeführt, erläutert Herbert Lindsberger. Und „Kammermusik hat es dort überhaupt noch nicht gegeben“. Neukomm habe diese Noten im Gepäck gehabt und sich weitere per Postschiff nachschicken lassen.
Diese Musik aus Österreich dürfte den Kontakt zu Kaiserin Leopoldine gefördert haben, mit der er vierhändig am Klavier Mozart gespielt habe. Leopoldine sei musikalisch und – wie für Habsburger üblich – gut gebildet gewesen, erzählt der Musikwissenschafter. Sie habe in Wien sogar im selben Chor wie Franz Schubert gesungen.
Sigismund Neukomm war also quasi musikalischer Botschafter Österreichs. Dazu habe er in den „zumindest 50 Werken“, die er in Brasilien komponiert habe, die dortige Volksmusik – Vorläufer von Samba wie Lundu und Modinha – mit seinem klassischen Stil verwoben, wie in der Caprice für Klavier namens „O amor brasileiro“.
Wie schafft es ein Musiker aus dem damals verarmten, verkommenen Salzburg bis zur Kaiserin Brasiliens? Ja, das sei faszinierend, sagt Lindsberger. Offenbar sei Neukomm dank FreimaurerKontakten bestens vernetzt und immer mit passenden Empfehlungsschreiben versorgt gewesen. „Und er war reiselustig.“Egal wo, „er landete immer im Zentrum der Macht“– in Petersburg beim Zaren oder in Paris bei Außenminister Talleyrand. Der wiederum vermittelte ihn an den luxemburgischen Gesandten, damit er diesen auf dessen Mission nach Brasilien begleitete.