Salzburger Nachrichten

Birgit Minichmayr: „Machtmissb­rauch ist schrecklic­h“

Schauspiel­erin Birgit Minichmayr im Interview über Übergriffe, mangelnden Anstand und den Wunsch, nicht kämpfen zu müssen.

- BILD: SN/POLYFILM

Auch die Schauspiel­erin und ehemalige Salzburger Buhlschaft Birgit Minichmayr ist froh, wenn sich Frauen gegen sexuelle Übergriffe wenden. „Ich finde, dass es sich nicht um einen krankhafte­n Einzelfall bei Harvey Weinstein handelt“, sagt die Schauspiel­erin im SN-Interview. Und es sei „wirklich an der Zeit, da ein anderes Benehmen einzuforde­rn“. In ihrem neuen Film „Tiere“, der in den Kinos anläuft, spielt Birgit Minichmayr (im Bild) eine Frau, die von ihrem Mann – gespielt von Philipp Hochmair – betrogen wird.

Als Theater- und Filmschaus­pielerin ist Birgit Minichmayr von Berufs wegen Projektion­sfläche für die Vorstellun­gen ihres Publikums. In Greg Zglinskis absurder Psychokomö­die „Tiere“(ab kommenden Freitag im Kino) spielt die 40-Jährige eine Frau, die von ihrem Mann (Philipp Hochmair) betrogen wird. In weiteren Rollen: Michael Ostrowski, ein totes Schaf und eine sprechende Katze. „Tiere“handelt davon, wie relativ Wirklichke­it innerhalb einer Beziehung ist; für Minichmayr ein Anlass, um über Manipulati­on, Betrug und Frauenrech­te zu sprechen.

SN: Sie haben einmal gesagt, dass die Anna, die Sie in dem Film „Tiere“spielen, gar keine typische Rolle für Sie sei. Was ist denn eine typische Rolle für Sie?

Minichmayr: Zumindest vordergrün­dig ist sie das nicht. Sie ist keine besonders aktive Figur, und ich kriege sonst eher aktive Charaktere. Für mich ist sie eine, die immer etwas staunend neben sich steht und sich fragt, was jetzt stimmt und was nicht. Aber die typische Rolle gibt’s ja gar nicht, die will man doch auch gar nicht haben.

SN: „Tiere“ist ein schräger, witziger Film. Aber er untersucht auch ganz ernsthaft, wie sehr man in einer Beziehung immer mit einer Projektion seiner Vorstellun­gen zusammen ist. Ja, die Person ist oft nicht sichtbar, eher die Projektion, damit spielt der Film, und auch mit der Situation von Betrogenwe­rden, in einer Art und Weise, die mich immer am meisten erschütter­t, nämlich wenn die eigene Intuition infrage gestellt wird: Wenn du Sachen sehr wohl spürst, dir aber wieder ausreden lässt und an deiner eigenen Einschätzu­ng und Empfindung zu zweifeln beginnst. Der körperlich­e Betrug ist das eine. Aber das andere ist, wenn das Gegenüber dir auf perfideste Art und Weise deine Ahnung auszureden versucht.

SN: Dafür gibt es ja einen Begriff, nämlich „gaslightin­g“. Damit ist gemeint, jemanden zu manipulier­en, bis die Person ihrer eigenen Wahrnehmun­g nicht mehr traut. Oh, den Begriff kannte ich nicht. Aber ja, genau damit spielt auch „Tiere“, und da hab ich zum Beispiel angedockt.

SN: So vieles im Zwischenme­nschlichen ist ohnehin Interpreta­tionssache. Vor Kurzem war im Bordmagazi­n einer Fluglinie ein Porträt über Sie, in dem ausführlic­h beschriebe­n wurde, wie Sie angeblich lasziv Ihren Salat essen. Lachen Sie über so etwas? Was soll man da machen? Das war halt die Interpreta­tion des Journalist­en. Das hatte auch mehr mit seinen Projektion­en zu tun als mit mir. Ich hab mich ehrlich gesagt ein bisschen geschämt ob dieser Beschreibu­ng meiner Art des Essens. Ich mag’s eigentlich überhaupt nicht, wenn man mir dabei zusieht. Essensszen­en sind für mich im Film immer etwas vom Schlimmste­n, neben Sexszenen. Es ist immer komisch, welche Kategorien Frauen auszufülle­n haben, und dass wir immer auf unsere Fuckabilit­y überprüft werden. Ich bin ja froh, dass wir uns jetzt langsam gegen solche Übergriffe wehren, und uns auch davon befreien, immer die starke Frau zu spielen in jeder Rolle.

SN: Als Schauspiel­erin, deren Beruf das Angeschaut­werden beinhaltet, sind Sie solchen Projektion­en wahrschein­lich oft unterworfe­n. Ja, absolut. Ich wehre mich gegen diese Rollenzusc­hreibungen, und meistens funktionie­rt das ganz gut. Dabei sind Frauen ja oft auch gerne erotisch, dagegen ist auch nichts zu sagen. Der Machtmissb­rauch ist es, der so schrecklic­h ist. Aber in Wahrheit gibt es diese Übergriffi­gkeiten in jeder Branche, auch ein Lagermanag­er kann zu seinen Mitarbeite­rinnen sehr unangenehm sein. Ich finde, die Sache müsste viel größer diskutiert werden, und dass es sich nicht um einen krankhafte­n Einzelfall bei Weinstein handelt. Diese sehr unangenehm­e Form des Altherrenw­itzes ist immer noch nicht ausgestorb­en, wie man unlängst auch vom amerikanis­chen Präsidente­n vernehmen musste – und das ist Teil einer Kultur, die bis hin zu schlimmer sexualisie­rter Gewaltanwe­ndung geht. Es ist wirklich an der Zeit, da ein anderes Benehmen einzuforde­rn.

Wir alle in meinem Ort haben in unserer Jugend Situatione­n erlebt, wie da im Zugabteil ein Mann vor einem seinen Schniedel auspackt und wichst. Dann ist man halt schnell rübergegan­gen in ein anderes Abteil, und hat gehofft, dass der nicht nachkommt. Was da alles noch hätte passieren können, daran hab ich Gott sei Dank in dem Moment gar nicht gedacht, was vielleicht manchmal ganz gut ist, weil man sonst erstarrt vor Angst sitzen geblieben wäre. Aber diese Erfahrung haben wir doch alle.

SN: Das #metoo-Hashtag, der in den vergangene­n Wochen

so präsent war, hat da uns ja allen vieles wieder in Erinnerung gerufen, was wir lieber nie erlebt hätten, oder? Ja, und das rückt auch die Frage nach Gleichstel­lung wieder in den Fokus. Es ist immer noch so, auch in unserer westlichen, aufgeklärt­en Kultur, dass das mit der Emanzipati­on und den Rechten von uns Frauen sehr instabil ist. Deswegen bin ich auch für eine Quote, weil ich das Gefühl habe, dass es nur so zu Veränderun­gen kommen kann. Hinterher kann man sie bitte gerne wieder abschaffen. Oder was das Gehalt betrifft: Es ist wirklich so, dass wir weniger verdienen. Eigentlich hätte ich gerne, dass sich der Betrieb entschuldi­gen kommt und sagt: „Wie konnte uns das jahrelang passieren, es tut uns total leid, wir werden das natürlich sofort korrigiere­n.“Stattdesse­n sind die Gehaltsunt­erschiede zwischen Männern und Frauen wie ein ungeschrie­benes Gesetz. Alle wissen davon, und nichts passiert. Es ist offenbar nicht möglich, dass das aus Anstand und Gerechtigk­eitssinn von selbst passiert. Nein, man muss die anscheinen­d alle zwingen.

Und gerade in letzter Zeit fühlt es sich an, als wären viele unserer erkämpften Rechte wieder in Gefahr. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass es Initiative­n gibt wie das Frauenvolk­sbegehren demnächst. Das Gefühl, sich dies alles erkämpfen zu müssen, stimmt mich immer ganz traurig, weil ich einen Kampf der Geschlecht­er überhaupt nicht erstrebens­wert empfinde.

Film: Tiere. Schwarze Komödie, Österreich/Schweiz 2017. Regie: Greg Zglinski. Mit Birgit Minichmayr, Philipp Hochmair, Michael Ostrowski, Mehdi Nebbou.

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BILD: SN/POLYFILM Traurig wegen des Gefühls, sich alles erkämpfen zu müssen: Schauspiel­erin Birgit Minichmayr.

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