Salzburger Nachrichten

Kohle verhagelt China die Rolle des Klimarette­rs

Trotz allen Ausbaus sauberer Energien: Der Energiehun­ger von Chinas wachsender Wirtschaft treibt den Ausstoß von Treibhausg­asen nach oben.

- SN-strick, dpa

Nach drei Jahren Stillstand auf hohem Niveau steigt der weltweite Ausstoß von Kohlendiox­id im Jahr 2017 voraussich­tlich wieder an. Experten zufolge werden bis Jahresende insgesamt 41 Gigatonnen Kohlendiox­id, also 41 Milliarden Tonnen, in die Atmosphäre gelangt sein. Das entspricht einem Anstieg von etwa zwei Prozent. Der Großteil der Emissionen – etwa 37 Gigatonnen – entfällt auf die Verbrennun­g von Erdöl, Kohle und Gas.

Dies ist dem Bericht „Globales Kohlenstof­f-Budget“zu entnehmen, der von einem Verbund aus 76 Wissenscha­ftern in 57 Forschungs­instituten in 15 Ländern zusammenge­stellt und am Montag bei der Weltklimak­onferenz in Bonn vorgestell­t wurde. Ursache des Anstiegs sind demnach vor allem China und seine aufstreben­de Wirtschaft. Der rasante Ausbau der erneuerbar­en Energien konnte den Zuwachs an Kohlestrom nicht ausgleiche­n. Noch im vergangene­n Jahr hatten die Experten gehofft, aufgrund des damals sinkenden Kohleverbr­auchs in China sei eine Wende in Sicht. In Europa und den USA hingegen sind die Emissionen leicht zurückgega­ngen.

Die neuen Daten dürften den von China in Bonn geplanten Auftritt als Führungsma­cht beim Klimaschut­z erschweren. Nach dem von US-Präsident Trump angekündig­ten Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkom­men wollte sich Peking global an die Spitze setzen.

Alles lief gerade so schön bei der Weltklimak­onferenz in Bonn. Gastgeber Deutschlan­d meldete Fortschrit­te. Donald Trumps Abgesandte verhielten sich ruhig. Und im Ausstellun­gsbereich herrschte gute Stimmung bei fidschiani­scher Musik. Aber dann das: Im Medienzent­rum präsentier­en renommiert­e Forscher am Montag eine Studie mit einer denkbar schlechten Nachricht – der CO2Ausstoß steigt wieder.

Der Report „Globales Kohlenstof­f-Budget“sagt für 2017 einen Anstieg um zwei Prozent voraus. Von 2014 bis 2016 waren die Emissionen weitgehend stabil geblieben – trotz weltweiten Wirtschaft­swachstums. Vor allem die verringert­e Kohlenutzu­ng, eine verbessert­e Energieeff­izienz sowie ein Boom bei den sauberen Energien wie Windkraft und Solarenerg­ie haben maßgeblich dazu beigetrage­n.

Als besonders erfreulich galt Experten vor allem die Entkopplun­g vom Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s und den Emissionen. Das zeigte, dass Wirtschaft­swachstum nicht zwangsläuf­ig zu einer Zunahme des Kohlendiox­idausstoße­s führen muss. Einige Experten hatten sogar gehofft, dass der Höchststan­d der Emissionen vielleicht schon erreicht sei. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. „Verschiede­ne Faktoren deuten auf einen fortschrei­tenden Anstieg auch 2018“, sagte Robert Jackson von der Stanford University. „Das ist Anlass zur Sorge.“Dabei nennen die Fachleute vor allem die Vorhersage­n der Weltbank zum Wirtschaft­swachstum: Die Finanzexpe­rten sagen global einen Anstieg von 2,9 Prozent für 2018 vorher – den höchsten Wert seit 2011.

Die Daten der Studien seien jedoch mit einiger Unsicherhe­it behaftet, schreiben die Fachleute weiter. „Die Nachricht vom Anstieg der Emissionen 2017 ist unwillkomm­en. Aber es ist noch zu früh zu sagen, ob das ein einmaliger Ausrutsche­r auf dem Weg hin zum Erreichen eines globalen Höchststan­des war oder der Anfang einer neuen Phase“, sagt Glen Peters vom Center for Internatio­nal Climate Research in Oslo. Der Großteil der Emissionen entfällt auf Kohle, Gas und Öl. Wer trägt die Hauptveran­twortung? „Es hat viel damit zu tun, was zurzeit in China passiert“, sagt Peters. Die Emissionen 2017 aus dem Reich der Mitte werden um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigen. Das Wirtschaft­swachstum des Verschmutz­ers Nummer eins hat in den ersten drei Quartalen dieses Jahres auf 6,9 Prozent zugelegt. Parallel dazu ist die Kohleprodu­ktion in den ersten neun Monaten um 5,7 Prozent gestiegen. All das wirft ein anderes Licht auf das zuletzt hochgelobt­e Land. Nach der Aufkündigu­ng des Pariser Abkommens durch Trump hatte sich Peking gleichsam zur Schutzmach­t des Klimapakts aufgeschwu­ngen. China werde seine Verpflicht­ungen auf jeden Fall einhalten, hieß es.

In Europa und den USA sind die Emissionen um 0,2 und 0,4 Prozent ganz leicht zurückgega­ngen, obwohl auch dort die Wirtschaft gewachsen ist. Das ist zwar ein Lichtblick – aber doch viel zu wenig. Damit ist das Ziel des Pariser Abkommens, die Klimaerwär­mung unter zwei, wenn möglich sogar bei 1,5 Grad zu halten, nicht zu schaffen.

41 Milliarden Tonnen Kohlendiox­id bläst die Menschheit allein dieses Jahr in die Atmosphäre. In Paris haben sich die Staaten vorgenomme­n, den Ausstoß ihrer Treibhausg­ase in der zweiten Hälfte des Jahrhunder­ts auf null zu bringen. Dafür müsste die Verbrennun­g von Kohle, Öl und Gas zwischen 2050 und 2070 enden.

Es erfordert Fantasie und Optimismus, sich vorzustell­en, dass das klappen könnte. Alternativ­e Energien mögen noch so boomen – wenn die Wirtschaft stark wächst und die dafür nötige zusätzlich­e Energie doch wieder großteils aus Kohle erzeugt wird, geht die Erderwärmu­ng einfach weiter.

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BILD: SN/EPA Kohle ist der Klimakille­r Nr verheizt am meisten. 1. China

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