Sozialversicherungen: Wie viel aus 21?
ÖVP und FPÖ wollen sich auf Zusammenlegungen bereits verständigt haben. Dabei können sie auf drei neue Studien zurückgreifen.
Es war eines der Lieblingsthemen des einstigen FPÖ-Chefs Jörg Haider: die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. In den 1990er-Jahren von SPÖ und ÖVP energisch zurückgewiesen, stehen die Zeichen mit gut 20-jähriger Verzögerung nun tatsächlich auf Fusionierungen. Das war bereits den Wahlprogrammen von ÖVP und FPÖ zu entnehmen. Unterdessen haben die Koalitionsverhandler zu verstehen gegeben, dass man sich schon auf Zusammenlegungen verständigt habe. Genaueres wurde nicht mitgeteilt. Und schon gar nicht, wie man für die notwendige Zweidrittelmehrheit sorgen will.
Zur seit zwei Jahrzehnten diskutierten Ausgangslage: In Österreich gibt es im Wesentlichen 21 Sozial- Koalitionsverhandlungen versicherungsträger für die drei Sparten Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung. Gemeinsam kommen sie auf Einnahmen und Ausgaben in der Dimension von je rund 60 Milliarden Euro. Ein gewaltiges Imperium, das formal von der Politik unabhängig ist, weil in Selbstverwaltung und unter dem gemeinsamen Dach Hauptverband organisiert. Kaum etwas illustriert den Machtfaktor Sozialversicherung so gut wie der Vergleich mit dem Bundesbudget, das mit rund 77 Milliarden Euro nicht dramatisch höher ist als die Budgets der Sozialversicherungen.
Die Konstruktion ist kompliziert. Für alle drei Sparten zuständig sind nur zwei Sozialversicherungen: jene der Bauern und jene für Eisenbahn und Bergbau. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft deckt nur die Pensionsund Krankenvorsorge der Selbstständigen ab; die Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten nur die Kranken- und Unfallversicherung der Beamten und Vertragsbediensteten. Auf die Pensionsversicherung beschränkt sich die Versicherungsanstalt des Notariats.
Bleibt die mit Abstand größte Gruppe der Unselbstständigen. Was sie betrifft, sind neun Gebiets- und fünf Betriebskrankenkassen (voest alpine, Wiener Verkehrsbetriebe, Mondi, Kapfenberg, Zeltweg) ausschließlich für die Krankenversicherung zuständig, während sich die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt um die Unfall- und die Pensionsversicherungsanstalt um die Pensionversicherung kümmert.
Dass das auch einfacher und ohne Qualitätsverlust geht, darüber waren sich sämtliche in jüngerer Vergangenheit vorgelegten Untersuchungen einig. Heuer waren es gleich drei: Eine hatte die Industriellenvereinigung (IV) beim Institut für Höhere Studien (IHS) in Auftrag gegeben, eine die Wirtschaftskammer (WKÖ) bei einem Schweizer Beratungsunternehmen und eine das Sozialministerium bei der London School of Economics (LSE).
Letztgenannte wurde erst Ende August vorgestellt. Sie kam zum Schluss, dass es im österreichischen Gesundheitswesen wesentlich dringendere Probleme zu lösen gebe, als die Zahl der effizient ar- beitenden Sozialversicherungsträger zu reduzieren: Erstens müsse die Politik alles daran setzen, dass die Menschen länger gesund bleiben, zweitens daran, dass die Zahl der Spitalseinweisungen sinkt, und drittens daran, dass mehr Generika verwendet werden. Insgesamt bezifferte die LSE-Studie das Einsparungspotenzial mit 850 Millionen Euro – eventuelle Zusammenlegungen gar nicht berücksichtigt. Auch dazu wurden Modelle vorgeschlagen, darunter dieses: Fusion der Versicherungsanstalten der Selbstständigen und der Bauern, Fusion der Beamten- und Eisenbahnerversicherung, Fusion der Gebiets- mit den Betriebskrankenkassen. So würden aus 18 mit der Krankenversicherung beschäftigten Trägern drei, zu denen sich eine Pensionsversicherungsund eine Unfallversicherungsanstalt gesellten.
Diese Variante hatte zuvor schon die Schweizer Beratungsfirma c-alm AG vorgeschlagen. Und eine ähnliche das IHS, wenn auch weniger rigoros: Es schlug vor, die Zahl der Gebietskrankenkassen auf vier zu reduzieren. Dass bei diesen beiden Studien die Arbeitgeberseite (WKÖ und IV) treibende Kraft war, hat folgenden Grund: Die Unternehmen füllen die sozialen Töpfe zu fast zwei Drittel, haben in der Sozialversicherung aber nur wenig Mitsprachemöglichkeiten.
Alle drei Untersuchungen kamen auch zu diesem Schluss: Fusionierungen allein erhöhen die Effizienz nicht. Sie schaffen allenfalls die Möglichkeit zur Vereinheitlichung von Leistungen und Beiträgen. Die Harmonisierung von Kassenleistungen hat der Hauptverband bereits in die Wege geleitet. Übrigens: Alle Sozialversicherungsträger sind strikt gegen Zusammenlegungen.