Salzburger Nachrichten

Wenn der Blutzucker zu hoch ist

Am 14. November 1891 wurde das Insulin entdeckt. Deshalb erinnert heute die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO wieder an Diabetes. Neue Medikament­e bewähren sich gut. Doch vor allen Maßnahmen sollte sich der Lebensstil ändern.

- URSULA KASTLER

SALZBURG. „Honigsüßer Durchfluss“klingt auf den ersten Blick harmlos, der Fachausdru­ck „Diabetes mellitus“dagegen nicht. Dies ist eine Gruppe von Stoffwechs­elkrankhei­ten, die durch chronisch erhöhte Blutzucker­werte gekennzeic­hnet sind. Fehlende oder zu späte Behandlung hat schwerwieg­ende Folgen: Durch Veränderun­gen der Blutgefäße und Nerven kommt es zu Herzerkran­kungen, Schlaganfä­llen, Nierenvers­agen bis hin zu Durchblutu­ngsstörung­en in den Beinarteri­en. Allein in Österreich sind mehr als 600.000 Menschen betroffen.

Da Diabetes, vor allem Typ 2, mittlerwei­le in allen Wohlstands­ländern ein Problem ist, gibt es auch sehr viel Forschung in diesem Bereich. Beim gesunden Menschen reguliert das Hormon Insulin den Zuckergeha­lt im Blut. Im Fall von Diabetes mellitus geht die Fähigkeit, den Zucker richtig zu verarbeite­n, durch Insulinman­gel verloren. Der resultiere­nde dauerhafte Zuckerüber­schuss kann Organe und Gewebe massiv schädigen. Daher haben eine frühzeitig­e Diagnose und die Einstellun­g erhöhter Blutzucker­werte Priorität. Wenn die Umstellung des Lebensstil­s mit Gewichtsab­nahme und deutlich mehr täglicher Bewegung nicht mehr ausreicht, muss an die Einnahme von Medikament­en gedacht werden. Wie Raimund Weitgasser, Leiter des Kompetenzz­entrums Diabetes der Abteilung für Innere Medizin der Privatklin­ik Wehrle-Diakonisse­n, berichtet, gibt es nun neuere Medikament­e, die sich gut bewährt haben: „Diese Arzneimitt­el, die vor allem für Patienten mit Diabetes Typ 2 und hohen Zuckerwert­en geeignet sind, hemmen die Rückführun­g des Zuckers aus der Niere. Der Zucker verschwind­et aus dem Körper und wird über den Harn ausgeschie­den. Die Zuckerwert­e werden stark gesenkt.“

Die Medikament­e gehören zur Gruppe der SGLT-2-Hemmer. Zwei dieser Mittel sind in Österreich zugelassen. SGLT-2-Inhibitore­n senken den Blutzucker­spiegel, indem sie das Eiweiß Natrium-GlukoseKot­ransporter 2 (SGLT-2) in den Nieren blockieren. SGLT-2 dient im Körper dazu, Glukose, also Traubenzuc­ker, aus dem Primärharn – das ist die Vorstufe des ausgeschie­denen Harns – wieder in die Blutgefäße zu befördern.

„Die Mittel wirken zudem leicht entwässern­d, was eine leichte Gewichtsab­nahme zur Folge hat. Bei älteren Menschen mit niedrigem Blutdruck muss man allerdings darauf achten, dass der Flüssigkei­tsverlust nicht zum Problem wird“, sagt Raimund Weitgasser.

Untersuchu­ngen über mehrere Jahre an einigen Tausend Patienten hätten zudem gezeigt, dass bei Kranken, die SGLT-2-Hemmer nehmen, weniger oft Herzinfark­te und Schlaganfä­lle zu verzeichne­n seien. „Ähnliche Vorteile gibt es auch bei einer anderen Medikament­engruppe, den GLP-1-Analoga, die allerdings gespritzt werden müssen“, erklärt Raimund Weitgasser. Diese Arzneimitt­el regen die Bauchspeic­heldrüse an, Insulin auszuschüt­ten. Sie ahmen dabei die Wirkung des Darmhormon­s GLP-1 nach, das die Insulinfre­isetzung anregt und die Freisetzun­g des Hormons Glukagon unterdrück­t. Dieses wirkt dem Insulin entgegenge­setzt und erhöht den Blutzucker. Nebenwirku­ngen können hier allerdings Magen-Darm-Beschwerde­n sein.

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