Nachtwandler im Stachelkleid
Unsere Igel zählen zu den gefährdeten Arten. Aber Tierliebe allein ist zu wenig, um ihnen zu helfen. Derzeit sind noch viele Winzlinge unterwegs.
Jetzt einmal ganz spontan: Wenn Sie heute einen Igel finden würden, was würden Sie ihm zum Fressen geben? Ein Schälchen Milch vielleicht? Oder einen Apfel? So schnell kann es gehen und das gut gemeinte Hilfsangebot entpuppt sich als lebensbedrohlich für den sympathischen Stachelritter. Igel sind laktoseintolerant und können Milch nicht verdauen. Sie verursacht zum Teil so schwere Probleme im Magen-Darm-Trakt, dass der Igel daran stirbt. Und vor einem Apfel muss er kläglich verhungern. Igel fressen kein Obst.
Käfer, Larven und Regenwürmer, aber auch Schnecken, Spinnen und Tausendfüßer stehen auf ihrem Speiseplan. All das ist eher selten in der Speisekammer oder im Kühlschrank vorrätig. Was also tun?
Katzenbesitzer haben es leicht, denn das Beste für den Igel ist Katzendosenfutter. Nicht-Katzenbesitzer können eine Portion ungewürztes Rührei zubereiten und dem Gast anbieten. Zum Trinken gibt es Wasser. Für eine dauerhafte Fütterung ist Katzendosenfutter die Basis. Dazu serviert der Igelkenner einmal Rührei, einmal angebratenes Faschiertes, einmal Kokosöl mit darin eingeweichten Haferflocken.
Igel lieben und brauchen die Abwechslung. Weil sie sich Plätze, an denen sie etwas für ihre Fettschicht tun können, gut merken, kommen sie regelmäßig und zu recht festen Uhrzeiten wieder, werden echte Stammgäste und lassen sich wunderbar beobachten. Ihr lautes Schmatzen ist weit zu hören. Viele Menschen haben einen sehr persönlichen Bezug zu „ihrem“Igel im Garten, manche geben ihm auch Namen.
Wenn Sie heute tatsächlich einen Igel finden, könnte es sein, dass er Hilfe benötigt. Salzburgs Igelmama Nummer 1, Gabriele Reisinger aus Mondsee, hat erst am Sonntag 18 kleine Igelkinder hereinbekommen. „In diesem Jahr waren die Geburten sehr spät“, ist ihr aufgefallen, „deshalb gibt es jetzt noch viele Tiere, die nicht einmal 250 Gramm auf die Waage bringen und den Winter nicht überstehen könnten.“
Um sicherzugehen, ob ein Igel die Kraft für den Winter hat oder nicht, ist es sinnvoll, ihn zu wiegen. Dazu legt man ihn einfach auf dem Rücken in die Waagschale der Küchenwaage. Wenn Sie ihn sanft anpusten, bleibt er ruhig. Ein gesunder Igel sollte jetzt 700 Gramm schwer sein, um den Winter überstehen zu können.
Apropos gesund: Ein Igel, der zwar ausreichend Gewicht hat, aber krank ist, braucht ebenfalls Hilfe. Es empfiehlt sich, das Tier ein Weilchen zu beobachten. Ist der Igel verletzt und humpelt oder blutet, dann bringen Sie ihn zum Tierarzt. Sucht er tagsüber nach Futter (Igel sind nachtaktiv), ist er apathisch, sein Gang torkelnd und sind seine Augen nur leicht geöffnete Schlitze statt runder Knopfaugen? Dann ist er krank und braucht ebenfalls Hilfe. Aber Vorsicht: Immer wieder werden beispielsweise bei Einwinterungsarbeiten im Garten Igel aufgeschreckt. Wird ein Laubhaufen oder ein schützender Holzstapel entfernt, rennen sie davon und müssen sich ein neues Quartier suchen. Diese Tiere werden sich schon bald ein neues Plätzchen suchen.
Was Gabriele Reisinger heuer oft erlebt hat: Dass Igelmütter kurze Zeit nach der Geburt ihrer Jungen gestorben sind. Reisingers Hypothese: Abgesehen von Spritzmitteln in den Gärten, und von Rasenmähern, Autos und anderen Gefahren könne das eine Auswirkung des Insektensterbens sein. Die Igel finden zu wenig Nahrung. Füttern hilft.
Wer Fragen zu einem Fundigel hat oder einen Überwinterungsplatz für ein Jungtier sucht, dem hilft Gabriele Reisinger gern rund um die Uhr weiter.