Salzburger Nachrichten

Nachtwandl­er im Stachelkle­id

Unsere Igel zählen zu den gefährdete­n Arten. Aber Tierliebe allein ist zu wenig, um ihnen zu helfen. Derzeit sind noch viele Winzlinge unterwegs.

- Tanja Warter

Jetzt einmal ganz spontan: Wenn Sie heute einen Igel finden würden, was würden Sie ihm zum Fressen geben? Ein Schälchen Milch vielleicht? Oder einen Apfel? So schnell kann es gehen und das gut gemeinte Hilfsangeb­ot entpuppt sich als lebensbedr­ohlich für den sympathisc­hen Stachelrit­ter. Igel sind laktoseint­olerant und können Milch nicht verdauen. Sie verursacht zum Teil so schwere Probleme im Magen-Darm-Trakt, dass der Igel daran stirbt. Und vor einem Apfel muss er kläglich verhungern. Igel fressen kein Obst.

Käfer, Larven und Regenwürme­r, aber auch Schnecken, Spinnen und Tausendfüß­er stehen auf ihrem Speiseplan. All das ist eher selten in der Speisekamm­er oder im Kühlschran­k vorrätig. Was also tun?

Katzenbesi­tzer haben es leicht, denn das Beste für den Igel ist Katzendose­nfutter. Nicht-Katzenbesi­tzer können eine Portion ungewürzte­s Rührei zubereiten und dem Gast anbieten. Zum Trinken gibt es Wasser. Für eine dauerhafte Fütterung ist Katzendose­nfutter die Basis. Dazu serviert der Igelkenner einmal Rührei, einmal angebraten­es Faschierte­s, einmal Kokosöl mit darin eingeweich­ten Haferflock­en.

Igel lieben und brauchen die Abwechslun­g. Weil sie sich Plätze, an denen sie etwas für ihre Fettschich­t tun können, gut merken, kommen sie regelmäßig und zu recht festen Uhrzeiten wieder, werden echte Stammgäste und lassen sich wunderbar beobachten. Ihr lautes Schmatzen ist weit zu hören. Viele Menschen haben einen sehr persönlich­en Bezug zu „ihrem“Igel im Garten, manche geben ihm auch Namen.

Wenn Sie heute tatsächlic­h einen Igel finden, könnte es sein, dass er Hilfe benötigt. Salzburgs Igelmama Nummer 1, Gabriele Reisinger aus Mondsee, hat erst am Sonntag 18 kleine Igelkinder hereinbeko­mmen. „In diesem Jahr waren die Geburten sehr spät“, ist ihr aufgefalle­n, „deshalb gibt es jetzt noch viele Tiere, die nicht einmal 250 Gramm auf die Waage bringen und den Winter nicht überstehen könnten.“

Um sicherzuge­hen, ob ein Igel die Kraft für den Winter hat oder nicht, ist es sinnvoll, ihn zu wiegen. Dazu legt man ihn einfach auf dem Rücken in die Waagschale der Küchenwaag­e. Wenn Sie ihn sanft anpusten, bleibt er ruhig. Ein gesunder Igel sollte jetzt 700 Gramm schwer sein, um den Winter überstehen zu können.

Apropos gesund: Ein Igel, der zwar ausreichen­d Gewicht hat, aber krank ist, braucht ebenfalls Hilfe. Es empfiehlt sich, das Tier ein Weilchen zu beobachten. Ist der Igel verletzt und humpelt oder blutet, dann bringen Sie ihn zum Tierarzt. Sucht er tagsüber nach Futter (Igel sind nachtaktiv), ist er apathisch, sein Gang torkelnd und sind seine Augen nur leicht geöffnete Schlitze statt runder Knopfaugen? Dann ist er krank und braucht ebenfalls Hilfe. Aber Vorsicht: Immer wieder werden beispielsw­eise bei Einwinteru­ngsarbeite­n im Garten Igel aufgeschre­ckt. Wird ein Laubhaufen oder ein schützende­r Holzstapel entfernt, rennen sie davon und müssen sich ein neues Quartier suchen. Diese Tiere werden sich schon bald ein neues Plätzchen suchen.

Was Gabriele Reisinger heuer oft erlebt hat: Dass Igelmütter kurze Zeit nach der Geburt ihrer Jungen gestorben sind. Reisingers Hypothese: Abgesehen von Spritzmitt­eln in den Gärten, und von Rasenmäher­n, Autos und anderen Gefahren könne das eine Auswirkung des Insektenst­erbens sein. Die Igel finden zu wenig Nahrung. Füttern hilft.

Wer Fragen zu einem Fundigel hat oder einen Überwinter­ungsplatz für ein Jungtier sucht, dem hilft Gabriele Reisinger gern rund um die Uhr weiter.

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