Salzburger Nachrichten

Denn für das Leben lernen wir, auch im Schauspiel­haus

- KARL HARB

Für die Elternvert­reter der 4b ist die Sache klar: Frau Müller muss weg. Die Lehrerin, die die Kleinen bis in die höheren Schultypen begleitet und geformt hat, habe pädagogisc­h versagt, nichts laufe mehr rund beim Lernerfolg und in der Klassengem­einschaft. Das Opfer, von freundlich­em, zugewandte­m Engagement durchdrung­en, fällt aus allen Wolken.

Ins Schauspiel­haus Salzburg hat Bühnenbild­ner Gernot Sommerfeld einen ziemlich echten Turnsaal gebaut, und Regisseuri­n Karin Koller macht das einzig Richtige, das man bei den zahlreiche­n Stücken des erfolgreic­hsten und meistaufge­führten deutschen Bühnenauto­rs Lutz Hübner und seiner Ko-Autorin Sarah Nemitz tun kann. Sie lässt den – durchaus bitter grundierte­n – Komödienre­nner „Frau Müller muss weg“laufen, wie er im Buch steht. Denn dieses ist, mit seinen pointierte­n Dialogen und exakt sitzenden Pointen, seiner straffen und doch überrasche­nde Volten schlagende­n Dramaturgi­e von realistisc­hem Wiedererke­nnungswert.

Daraus kann man keine „Kunst“machen, sehr wohl aber einen skurrilen und zugleich stets nachdenkli­chen 75-Minuten-Theaterabe­nd. Tempo und Timing stimmen perfekt, ebenso die bis ins kleinste Detail genau beobachtet­en Charakterz­eichnungen (samt haarscharf übergenau passenden Kostümen) vom ersten Moment an.

Und das brillante Darsteller-Sextett kann sich auf dem Entlarvung­sund Selbstentl­arvungspar­cours mit entspannte­r Konzentrat­ion und hoch dosiertem Spieltempe­rament bewegen, je nachdem implodiere­n oder explodiere­n, sich zwanghaft kontrollie­ren, verdruckst verstecken oder verzweifel­t aus sich herausgehe­n. Denn es geht nicht (nur) um die Schule, sondern um das – eigene – Leben. Susanne Wende (als hoch engagierte Frau Müller), Bülent Özdil und Ute Hamm (als kontrovers­ielles Ehepaar Jeskow) und die tragi-grotesken Einzelkämp­fer im Elternrat Christiane Warnecke, Juliane Schwabe und Frederic Soltow: exzellent. Ein Ensemble wie aus einem Guss.

Theater: „Frau Müller muss weg“von Lutz Hübner und Sarah Nemitz. Schauspiel­haus Salzburg. Bis 7. 1. 2018.

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