Jetzt wird es kuschelig und „hyggelig“
Schon von Hygge gehört? Es bedeutet nichts anderes als Gemütlichkeit. Der Handel sieht darin einen wahren Hype und wittert Geschäfte.
SALZBURG. Wenn Diskonter mit kuscheligen Fellhockern und duftenden Zirbenpolstern werben, die Supermärkte ihr Kerzensortiment in den Vordergrund rücken und Stricken als chic empfunden wird, dann kommt Weihnachten näher. Handelsexperten aber sehen in diesem Jahr einen nachhaltigeren Trend. „Das Lebensgefühl Hygge ist zum Wachstumstreiber geworden“, sagt Marcus Wild, Chef von Österreichs größtem EinkaufszentrenBetreiber SES der Spar Gruppe.
Auf Hygge reagiert hat zuletzt sogar der Duden: Vor wenigen Wochen wurde der dänische Begriff neben Wörtern wie Selfie und Emoji in den deutschen Wortschatz aufgenommen. Er steht für Gemütlichkeit, Heimeligkeit. Dass die Dänen regelmäßig die weltweiten Glücksranglisten anführen, ließ „Hygge“europaweit zum Hype werden.
In den 19 Shoppingcentern der SES habe zuletzt der Flächenanteil für Wohnaccessoires im Branchenmix um zwölf Prozent zugenommen, sagt Wild. Jeder fünfte Shop greife das Thema deutlich auf.
Dabei gibt es den Trend, es sich drinnen nett zu machen, wenn es draußen – ob im Freien oder in der weiten Welt – ungemütlich wird, unter anderen Namen schon länger.
„Vor ein paar Jahren hieß das Cocooning oder neues Biedermeier“, erklärt Herbert Hofer. Als Geschäftsführer von Hofer-Kerzen mit Firmensitz in Weyer in Oberösterreicher vertreibt er ein „Musthave“für den Kuscheltrend. Ohne Kerzenschein ist die Gemütlichkeit nur halb so schön. Auf rund 17 Mill. Euro Umsatz wird das Unternehmen heuer kommen. Seit 2004 wird in Polen produziert. Je nach Saison fertigen dort 400 bis 500 Beschäftigte 60 Millionen Kerzen pro Jahr. In den vergangenen Jahren sei man jeweils zweistellig gewachsen, sagt Hofer. Die umsatzstärksten Monate aber seien seit jeher die kalten und dunkleren Monate. Von Allerheiligen bis Weihnachten werde die Hälfte des Jahresumsatzes gemacht.
Den aktuellen Hygge-Hype sieht Hofer auch als Gegentrend zur schnellen digitalen Welt. Wobei Kerze nicht gleich Kerze sei, wie der Profi betont. Eine Qualitätskerze zeichne sich durch folgende Merkmale aus: kein Rußen, kein Tropfen, gleich bleibende Flammenhöhe und nicht verglühender Docht. „Eine gute Kerze kostet dann halt auch etwas.“Für Gemütlichkeit sorgt man bei Hofer-Kerzen jedenfalls schon seit sechs Generationen. Bereits 1832 hat die Familie Hofer die Kerzenproduktion in Weyer übernommen. Kerzen wurden am Standort schon seit 1418 gezogen.
Starke Zuwächse verzeichnen auch Teespezialisten wie die Waldviertler Firma Sonnentor. „Eine Tasse Tee mit Freunden und Familie zu Hause genießen, regionale Produkte und Traditionen wertzuschätzen, das sind Aspekte, die zu unserer Marke passen“, sagt Andrea Pölz von Sonnentor. Auch beim Marktführer Teekanne setzt man auf „kuschelig“: „Love“heißt die jüngste Sorte Früchtetee mit Granatapfel und Passionsfrucht. Und auch wenn nicht jeder beim Thema Gemütlichkeit an Menschenmassen im Einkaufszentrum denkt, so sehen sich die Shoppingcenter selbst durchaus hyggelig. „Wir werden als Treffpunkt, als urbanes Wohnzimmer wahrgenommen“, sagt SES-Chef Wild. Im Wiener Center Q19 hat man daher ein Wohnzimmer nachgebaut – samt Kaminsims. In gemütlicher Atmosphäre sollen sich dort die Besucher vom Einkaufsstress ausruhen können. Andere Center wie der Tiroler Sillpark oder Varena in Vöcklabruck setzen auf Biblio-Take-&-Bring, Kunden können in diese Tauschbibliothek gelesene Bücher bringen und andere dafür kostenlos mitnehmen. Daneben veranstalten Einkaufszentren Repair-Cafés, Bastelkurse oder auch Backworkshops. Wer der Shoppingwelt die Ruhe im eigenen Heim vorzieht, schafft sich am besten auch einen privaten Kaminofen an. Und hier gibt es zwei Trends, wie Michael Ebner von Haas+Sohn Ofentechnik mit Sitz in Puch bei Salzburg erklärt. Einerseits gebe es die Rückkehr zum klassischen Kaminofen, den man selbst einheizt und bei dem man durch ein möglichst großes Sichtfenster den Flammen beim Tanzen zusehen kann. Andere Kunden dagegen bevorzugen es bequemer, um ihre Stube zu wärmen. „Unser Pelletofen mit WLAN-Steuerung ist ziemlich gefragt“, erklärt Ebner. Über eine Smartphone-App könne der Ofen aus der Ferne aktiviert werden. „Wenn ich vom Skifahren heimfahre und weiß, dass ich in einer Stunde zu Hause bin, schalte ich den Ofen einfach vom Handy aus ein.“Und auch optisch wird für maximale Gemütlichkeit nachgeholfen. Weil die Pelletflamme im Normalfall nicht so klar erscheine, erklärt Ebner, habe man die Zirkulation in der Brennkammer so gestaltet, dass die Flamme möglichst groß und hell flackert.
„Das Shoppingcenter wird zum Treffpunkt und zum urbanen Wohnzimmer.“Marcus Wild, SES Shopping Center