Salzburger Nachrichten

Sie helfen und manipulier­en: Von guten und bösen Bots

Chatbots sind zum Massenphän­omen geworden: Die Dialog-Software soll Firmen entlasten und Kundenanfr­agen beantworte­n. Sie kann aber auch Jobs kosten. Und Wahlen beeinfluss­en.

- SN-hill, dpa Im SN-Saal finden am 23. 11. ab 18 Uhr zwei Podiumsdis­kussionen zum Themenkomp­lex „Fake News, Bots und digitaler Überfluss“statt. Anmeldung unter SN.AT/RESERVIERU­NG

Alles beginnt mit einem „Hallo!“. Max Koziolek tippt die Begrüßung in eine Maske seiner Software ein. Und er lässt gleich weitere Grußformel­n folgen: „Guten Tag!“, „Hi!“, „Grüß Gott!“. Koziolek programmie­rt einen Chatbot – eine Software, die sich im Netz mit Menschen unterhält. Er ist Chef des Start-ups Spectrm. Das Berliner Unternehme­n hilft Firmen, ihre Inhalte in einfachen Dialogen automatisi­ert zu vermitteln. Wie etwa: „Möchtest du mehr darüber erfahren?“Je nachdem, ob der Nutzer „Ja“oder „Nein“eintippt, wird ein neuer Informatio­nsschnipse­l eingeblend­et. Oder die Software wechselt zum nächsten Thema.

Bots sind ein Netz-Phänomen. Aber eigentlich kein neues: Als erster Chatbot gilt die virtuelle Psychother­apeutin „Eliza“, die bereits 1966 vorgestell­t wurde. Doch durch Digitalass­istenten wie Apples Siri oder Amazons Alexa kommt der Nutzer immer stärker mit Bots in Kontakt. Und Experten gehen davon aus, dass der große Sprung erst bevorsteht: Etwa wenn Dialog-Software im Kundendien­st Callcenter flächendec­kend ersetzt – und somit auch Arbeitsplä­tze kosten könnte.

Der Bot-Trend hat längst auch Österreich erreicht. A1 setzt etwa auf einen Chatbot, der beim Smartphone-Kauf helfen soll. Selbst der Teletext hat einen Bot-Ableger, wenngleich dieser wenig bietet: Teletext-Fans können sich nur die einzelnen Seiten anzeigen lassen. Einer der ersten österreich­ischen Bots, jener von Austrian Airlines, ist mittlerwei­le „auf Urlaub“, wie es das Social-Media-Team der Austrian schildert. Der Bot wurde stark kritisiert – etwa weil er nur auf Englisch kommunizie­ren konnte.

All die genannten Bots wurden in den Facebook-Messenger integriert. Seit Mitte 2016 bietet das Kurzmittei­lungsprogr­amm die Option, Bots einzubauen – in der Welt der sozialen Medien Social Bots genannt. „Keine Warteschle­ifen im Callcenter mehr. Stattdesse­n hat man als Kunde alle nötigen Daten und Unterlagen an einem Ort“, beschreibt Messenger-Chef David Marcus.

Mehr als 30.000 Bots sind bereits auf der Messenger-Plattform aktiv. Zudem arbeitet Facebook an einem eigenen Super-Bot, einem persönlich­en Assistente­n mit dem Namen „M“. Er soll wie eine Art Butler Probleme für Nutzer lösen: Restaurant reserviere­n, Taxi bestellen – „M“kümmert sich darum. Dabei lernt die Software, was in gewissen Situatione­n zu tun ist. Und zwar auch von menschlich­en Mitarbeite­rn, die erst selbst für die Nutzer den Butler spielen. „Wir wissen zwar, wie die Software lernt. Aber wir wissen vorher nicht, was sie lernen wird“, sagt Produktche­f Stan Chudnovsky. Hinter den selbstlern­enden Chatbots stecken neuronale Netze, die im Prinzip dem menschlich­en Gehirn nachgebild­et sind.

Eine der Kehrseiten des Trends ist die Angst vor Bot-Armeen oder auch Bot-Netzwerken, die öffentlich­e Meinung manipulier­en. Auch ein gewisser Teil jener Facebook- und Twitter-Accounts, die mit russischer Propaganda den US-Wahlkampf beeinfluss­t haben sollen, sind Bots. Experten schätzen, dass eine hochwertig­e Software, mit der sich bis zu 10.000 Twitter-Accounts steuern lassen, bereits für rund 500 Dollar (425 Euro) zu haben ist. Die dazu passenden gefälschte­n Accounts sollen nur rund 40 Euro (für 1000 Twitter-Profile) bzw. 130 Euro (für 1000 Facebook-Profile) kosten.

Gut gemachte Accounts werden möglichst realitätsn­ah angelegt: mit Profilbild und ein paar Einträgen, wie einem Cappuccino-Foto aus einem Lokal. Und dann eingemotte­t. Bis sie vor einem Großereign­is wie einer Wahl aufwachen. Sie verbreiten dann automatisi­ert Argumente in ihrem Netzwerk – und darüber hinaus in das weltweite Social-MediaUnive­rsum. So werden Maschinen zu Meinungsma­chern.

Bekämpft wird der SoftwareTr­end vor allem mit anderer Software: Ein von Twitter programmie­rter Algorithmu­s könne etwa erkennen, ob er es mit menschlich­en Nutzern oder automatisi­erten Profilen zu tun habe. Seit Juni würden so täglich 130.000 Accounts entdeckt, die versuchen, Trend-Themen zu manipulier­en. Laut Twitter sind „nur“rund fünf Prozent der Profile Bots – was bei 330 Millionen Nutzern aber immer noch rund 16 Millionen Bots bedeuten würde. Zudem glauben Experten wie Christian Stöcker, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften Hamburg, dass Twitter nur wenig Interesse hat, die Bots breit zu bekämpfen: „Es geht natürlich auch darum, die Nutzerzahl­en möglichst hoch zu halten.“Immerhin stecke hinter den meisten Bot-Konversati­onen immer noch mehr Mensch als Maschine, sagt Experte Max Koziolek. Die Äußerungen der Software bewegen sich in einem engen Rahmen, der vom Programmie­rer vorgegeben wurde. Chatbots, die selbst eine Unterhaltu­ng führen können, seien zwar das Ziel: „Das wird früher oder später kommen.“Doch im Moment komme man nicht daran vorbei, auch selbstlern­ende Bots von Menschen beaufsicht­igen zu lassen.

Ein mahnendes Beispiel ist Tay. Auf Microsofts mittlerwei­le entfernten Twitter-Bot prasselten massenhaft rassistisc­he Kommentare ein. Und das färbte ab: Tay begann, Dunkelhäut­ige ins Konzentrat­ionslager zu wünschen und den Holocaust zu leugnen.

Auch wenn heutige Chatbot-Gespräche simpel anmuten – der Aufwand dahinter ist groß. Immer wieder versuchten Nutzer, vom geplanten Dialogpfad „auszubrech­en“, wie Koziolek es nennt. Was macht man dann? „Das hängt davon ab, welche Persönlich­keit man dem Bot geben will.“Persönlich­keit? Soll ein Chatbot menschlich wirken – oder einfach nur seine Aufgabe erfüllen? Hier scheiden sich die Geister. Koziolek ist dafür: „Wenn man den Bot menschlich­er erscheinen lässt, funktionie­ren viele Sachen besser.“ Veranstalt­ung:

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BILD: SN/SCREENSHOT/HI PONCHO Chatbots können etwa Wetterausk­ünfte geben. Mit anderen Fragen kann die Software aber offenbar nur schwer umgehen.
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