Salzburger Nachrichten

Kirche braucht mehr Mut und ein klares Profil

Die Erzdiözese wagte den Blick in den Spiegel und gab eine Studie über den Ruf der Kirche in Auftrag. Das Ergebnis: Eine Reform muss her.

- BARBARA HAIMERL

SALZBURG. Ob Befürworte­r oder Gegner, Gläubige oder Distanzier­te: Die katholisch­e Kirche lässt in Österreich kaum jemanden kalt. „Jeder hat eine Meinung über sie, selbst jene, die sagen, dass ihnen die Kirche egal ist“, sagt der Kommunikat­ionswissen­schafter Jörg Schneider von der Universitä­t Salzburg. Das sei grundsätzl­ich eine gute Ausgangspo­sition, um die Menschen zu erreichen.

Schneider ist einer der Forscher, die im Auftrag der Erzdiö- zese Salzburg untersucht haben, wie es um das Ansehen der katholisch­en Kirche in Österreich, und vor allem in der Erzdiözese, bestellt ist. Online wurden in Österreich mehr als 1000 Bürger sowie 450 Salzburger Pfarrgemei­nderäte befragt. Dazu kamen vertiefend­e Interviews mit Vertretern aus Kirche und Medien.

Im Kern lautet das Ergebnis: Seit 2010, vor allem aber seit der Wahl von Papst Franziskus 2013 hat sich der Ruf der Kirche stark verbessert, es fehlt ihr aber an Profil. Die Botschaft der katholisch­en Kirche kommt bei vielen Menschen nicht mehr an. Es gelingt der Kirche zu wenig, ihre Inhalte im Alltag zeitgemäß und glaubwürdi­g zu vermitteln.

„Ein klares Profil ist wichtiger als Beliebthei­t“, sagt der Studienlei­ter, Universitä­tsprofesso­r Mark Eisenegger. „Der gute Ruf nützt nichts, wenn die Menschen mit der Kirche keine klaren Werte verbinden.“Die Kirche müsse ihr Profil schärfen und selbstbewu­sst kommunizie­ren. „Diese Trennschär­fe ist aber ohne Reibung nicht zu haben.“

Eisenegger rät der Kirche, ihre Kernbotsch­aften und die christlich­e Ethik mutiger nach außen zu tragen. „Die frohe Botschaft bleibt in der Kirche, oder auf Salzburg bezogen im Dom.“Die Kirche sei gefordert, Bevölkerun­gsgruppen anzusprech­en, die zwar nicht in der Kirche anzutreffe­n seien, jedoch spirituell auf der Suche seien. Auch in der heutigen säkularen Gesellscha­ft seien drei Viertel der Menschen offen für spirituell­e Sinnangebo­te.

„Bekommen Vertreter der Kirche eine Bühne, müssen sie Christus zum Thema machen und sich nicht immer einer säkularen Logik beugen“, meint der Wissenscha­fter. „Gegenüber dem Religionss­tifter Christus ist

eine bemerkensw­erte Zurückhalt­ung spürbar.“Und dies, obwohl die Studie zeige, dass die christlich­e Lehre von Liebe und Nächstenli­ebe ein positiver Reputation­streiber sei.

Außerdem appelliert Eisenegger an die Kirche, sich mutiger in gesellscha­ftspolitis­che Diskurse einzubring­en. „Die Menschen erwarten, dass die Kirche als moralische Instanz auftritt und den Bedürftige­n eine Stimme gibt.“Das beste Vorbild sei Papst Franziskus. Er verkörpere Mut, bringe die christlich­e Ethik unter die Leute, mische sich ein – etwa durch seine Kapitalism­uskritik – und nenne brisante Themen beim Namen, etwa den Umgang der Kirche mit wiederverh­eirateten Geschieden­en.

Laut dem Studienerg­ebnis befürworte­t die Bevölkerun­g, aber auch die Mehrheit der Pfarrgemei­nderäte eine Öffnung der Kirche. Eisenegger: „Die Menschen wünschen sich eine klare Reformagen­da.“

Das Ergebnis mache Mut, sei aber auch eine Herausford­erung, sagt Prälat Balthasar Sieberer, der in der Erzdiözese das Projekt Zukunftspr­ozess 2018 leitet. Sieberer bezeichnet die Studie als „profession­elles Hinhörproj­ekt“. Um die Kirche zukunftsfä­hig zu machen, sei es wichtig, stärker auf die Menschen zu hören. Eines der Ziele sei, als Glaubensge­meinschaft wieder zu wachsen.

Im Vorjahr sind in Salzburg 4611 Menschen aus der Kirche ausgetrete­n, das sind 128 weniger als im Jahr 2015. Zugleich traten im Vorjahr 454 Salzburger neu oder wieder ein (2015: 474). Die Gesamtzahl der Katholiken in den 210 Pfarrgemei­nden der Erzdiözese ging im Vorjahr um 2881 auf rund 470.000 zurück.

Die Erzdiözese sei auf dem richtigen Weg, sagt Sieberer. Mit der Aktion Offener Himmel gehe man hinaus zu den Menschen. Das Studienerg­ebnis werde nun eingehend beraten. Sieberer: „Wir werden vieles deutlicher sagen müssen.“Die Studie werde im Februar auch bei einer Fortbildun­gswoche für die hauptamtli­chen Mitarbeite­r in der Diözese Thema sein.

„Papst Franziskus ist das beste Vorbild.“

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Herauskitz­eln . . .
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WWW.SN.AT/WIZANY
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Mark Eisenegger, Univ.-Prof.

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