Salzburger Nachrichten

Neigungsgr­uppe Nachverdic­hten

-

In einem waren sich die fünf Kandidaten und die eine Kandidatin für das Amt des Salzburger Bürgermeis­ters einig: Es gehört nachverdic­htet.

Nachverdic­hten heißt: Wo immer ein Fleckerl Platz ist, bauen wir etwas hin. Weil nur so, meinen die Kandidaten und die Kandidatin, könne man billigen Wohnraum schaffen. Genau. Superidee.

Das ist, wie die Verkehrspo­litik einst war: Wir bauen Straßen, Straßen, Straßen, weil dann gibt es keinen Stau mehr. Und wenn es ihn doch gibt, bauen wir noch mehr Straßen. Hat bekanntlic­h prächtig geklappt. Jetzt also nachverdic­hten. Wir verdichten, bis der letzte Baum gefällt, der letzte Busch geschnitte­n, das letzte Stückerl Gras verschwund­en ist. Wir verdichten, bis wir übereinand­er, untereinan­der, nebeneinan­der und aufeinande­r gestapelt in schmucken Flachdachs­chachteln leben und gleich auch unterirdis­ch. Salzachbös­chungen, Stadtberge, Mirabellga­rten, Gärten, nichts bleibt unberührt, weil: Nachverdic­htung. Und wenn dann alles nachverdic­htet ist und kein Raum mehr bleibt, kein Platz frei ist und es immer noch nicht reicht, dann steigen wir auf den Kirchturm und sehen, so weit das Auge reicht: Land noch und noch und noch, aber nicht in der einst so schönen Stadt Salzburg, sondern rundum, in den Speckgürte­ln, dort wo die Dorfkaiser herrschen. Mit denen müsste man einmal, aber ach, es traut sich niemand.

 ??  ?? Martin Stricker
Martin Stricker

Newspapers in German

Newspapers from Austria