Und sie stecken ihr Köpferl in den Sand
Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist aus wirtschaftlicher Sicht unverzichtbar – oder doch nicht?
Ein CO2-Brocken in der Größe einer Bierkiste
In Bonn ging die UNO-Klimakonferenz zu Ende. Es war die 23. Es mangelte nicht an eindringlichen Appellen, bombastischen Gelöbnissen und auch manch abseitigem Blödsinn – etwa als sich die USA für „saubere fossile Energie“starkmachten.
Man bewegte sich trotzdem weiter. Mühsam, zäh und Schritt für Schritt. Ein sogenanntes Regelbuch wurde erstellt, das konkrete Bestimmungen zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens enthält. Beschlossen werden soll es beim nächsten Gipfel im nächsten Jahr. Streit gab es – Überraschung! – ums Geld. Doch es sind ja mehr als 190 Nationen, die sich verständigen müssen, und es scheint, als hätten sie alle Zeit der Welt.
Haben sie nicht. Ein Blick auf die größeren Zusammenhänge empfiehlt sich. Drei Zahlen reichen aus: 500, 1000 und 3000.
Wenn die Menschheit alle bekannten Reserven an Kohle, Öl und Gas aus der Erdkruste holt und verbrennt, würde sie rund 3000 Milliarden Tonnen CO2 verursachen.
Um die von der Wissenschaft als gerade noch akzeptabel genannte Grenze einer globalen durchschnittlichen Erderwärmung von zwei Grad Celsius (im Vergleich zur vorindustriellen Zeit) nicht zu überschreiten, dürfen nur noch 1000 Milliarden Tonnen Kohle, Öl und Gas verheizt werden. Zwei Drittel aller bekannten Vorkommen müssen also bleiben, wo sie sind – im Boden.
Machen wir im selben Tempo weiter wie bisher, sind die 1000 Milliarden Tonnen in etwas mehr als 20 Jahren in der Atmosphäre.
Wollen wir die Erwärmung aber auf 1,5 Grad begrenzen, was das Risiko für unsere Kinder und Enkel um einiges verringern würde, muss bei 500 Milliarden Tonnen Schluss sein – das wäre beim jetzigen Tempo in zwölf Jahren. Dann aber null Emissionen. Keine Verbrennung mehr, nicht in Automotoren, Kraftwerken, Triebwerken, nicht in Fabriksöfen oder sonst wo.
Zugegeben, es handelt sich um sehr grobe Schätzungen. Sie können nach oben und unten variieren. Doch die Tendenz stimmt.
Noch ein Vergleich gefällig? Wenn Ihr Auto acht Liter Sprit verbraucht, egal ob Diesel oder Benzin, hinterlassen Sie alle 100 Kilometer einen CO2-Brocken in Gewicht und Größe einer Bierkiste.
Um durchschnittlich ein Grad hat sich die Erde bereits erwärmt. Bei uns im Alpenraum, ein besonders sensibles Gebiet, sind es fast zwei Grad. Die Folgen: Hitze- und Dürreperioden, Monsterstürme, Überschwemmungen, und bei uns in den Bergen: mehr Regen als Schnee. Vielleicht stellen Sie sich einmal vor, wie die Welt und Österreich aussehen, wenn wir noch einmal so viel drauflegen – geschweige denn die Erwärmung auf vier, fünf oder sechs Grad steigt, was durchaus möglich ist, wenn wir nicht schneller umsteuern.
Dabei ist vieles in Bewegung geraten. Wer hätte wohl vor zehn Jahren gedacht, dass die unantastbar scheinenden Atom- und Kohlestromriesen Europas von der französischen Areva bis zur deutschen RWE einmal ums Überleben kämpfen würden, weil sie die Wende zur sauberen Energie beinahe verschlafen hätten?
Wer hätte vor fünf Jahren noch gedacht, dass der Autoindustrie ein ähnliches Schicksal droht?
Doch der hinhaltende Widerstand ist groß. Zu prächtig sind immer noch die Profite der alten Geschäftsmodelle. Der Abschied von fossilen Brennstoffen verläuft zu langsam, viel zu langsam.
Und was tut die Politik? Sie steckt ihr Köpferl in den Sand. Tritt auf bei UNO-Konferenzen. Zögert und zaudert. Tut, als hätte nicht sie das Sagen, sondern die großen Bosse. Wälzt die Verantwortung, die ihr von der Gesellschaft übertragen ist, ab, indem sie mahnend auf jeden einzelnen Menschen zeigt, statt zu tun, wozu es sie gibt: Rahmenbedingungen schaffen, gesetzliche Vorgaben geben, Zeithorizonte setzen. Keinen Cent mehr in Kohle, Öl und Gas stecken, die Subventionen stoppen. Den öffentlichen Verkehr ausbauen. Riesenförderungen für Energieeffizienz ausschütten. Klimaschutzpläne beschließen und deren Einhaltung, das vor allem, genauestens prüfen. Druck machen.
Bei den Koalitionsverhandlungen in Wien, bei der Bürgermeisterwahl in Salzburg, bei den Landtagswahlen in Österreich nächstes Jahr müsste es nur um eines gehen: Was können wir tun, um die Erde unseren Kindern so zu übergeben, wie wir sie kennen und lieben? Um nichts anderes.