Salzburger Nachrichten

Eine Koalition des Misstrauen­s

- HELMUT.MUELLER@SN.AT

Im Grunde müsste Regieren in Deutschlan­d so attraktiv sein wie selten. Bloß verwalten wie bisher geht nicht mehr. Wegen der Zukunftsfr­agen gilt es Entscheidu­ngen zu treffen – bei Energie und Verkehr, bei Digitalisi­erung und Bildung. Anders als kriselnde europäisch­e Staaten hat Deutschlan­d dank blühender Wirtschaft die Ressourcen für politische­s Gestalten.

Trotzdem schaffen es die nach den Farben der jamaikanis­chen Nationalfl­agge benannten Koalitionä­re in spe bisher nicht, sich auf den Start von Koalitions­verhandlun­gen zu verständig­en. Zum einen ist die schwarz-gelb-grüne Konstellat­ion neu in der Bundesrepu­blik. Für eine Große Koalition haben CDU/CSU und SPD genug politische Schnittmen­gen gefunden. Hingegen sind die bayerische CSU und die Grünen seit jeher über Kreuz. Zum anderen hat Kanzlerin Angela Merkel bisher gezögert, bei den Sondierung­en die Regie zu übernehmen. Drittens gleichen diese Sondierung­sgespräche schon richtigen Koalitions­verhandlun­gen, obwohl es die Koalition noch gar nicht gibt. Man definiert nicht nur die großen Projekte, sondern geht gleich in die Details.

Für die deutschen „Jamaikaner“kommt es darauf an, einerseits Kompromiss­e zu finden, die anderersei­ts bei der eigenen Parteibasi­s Zustimmung finden. Dies gilt für die Grünen – und noch mehr für die bayerische CSU, in deren Reihen nach dem enttäusche­nden Ergebnis bei der Bundestags­wahl ein Machtgeran­gel im Gang ist. Mit Blick auf die Landtagswa­hl im kommenden Jahr setzen die Männer um CSU-Chef Horst Seehofer darauf, dass es in Bayern stets gut ankommt, wenn man in Berlin eine harte Haltung zeigt.

Sicher ist: Eine „Koalition des Misstrauen­s“kann keinesfall­s auf Dauer funktionie­ren.

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Helmut L. Müller

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