Die Euphorie um Präsident Emmanuel Macron schwindet
Kritiker in den Reihen von „Die Republik in Bewegung“beklagen einen Mangel an innerparteilicher Demokratie.
PARIS. Wenige Monate nach seinem Sieg bei der Präsidentenwahl und dem Triumph seiner Partei „La République en Marche“(LREM) bei der darauf folgenden Parlamentswahl hat sich die Begeisterung für Emmanuel Macron gelegt. Laut den regelmäßigen Umfragen sank seine Beliebtheit, erst in jüngster Zeit hat sich die Zustimmung zu seiner Reformpolitik wieder stabilisiert.
Aber auch in den Reihen seiner Partei lässt der Enthusiasmus nach. In dieser Woche wurde ernster Protest laut. In einer über Internet verbreiteten Stellungnahme kündigten 100 LREM-Mitglieder ihren Austritt aus der Partei an. Ihren Schritt begründen sie mit „mangelnder innerparteilicher Demokratie“. Statt durch Willensbildung von unten nach oben würden wichtige Fragen nach den Regeln des „demokratischen Zentralismus“von oben nach unten entschieden.
Anlass der Attacke der hundert Unzufriedenen ist die Organisation des heute, Samstag, in Lyon anstehenden ersten Kongresses der Partei. Wichtigster Punkt auf der Tagesordnung ist die Wahl eines Parteichefs. Für diesen Posten eines Generaldelegierten, wie er in den Statuten heißt, gibt es nur einen Kandidaten. Und den hat Präsident Macron selbst ausgesucht: Christophe Castaner, den bisherigen Sprecher der Regierung und als Staatssekretär für die Beziehungen der Exekutive zum Parlament zuständig. Seine Wahl soll nicht in geheimer Abstimmung, sondern durch offenes Handheben der 750 Mitglieder des Parlaments der Partei, des „Conseil“(Rat), erfolgen.
An der Qualifikation Castaners gibt es keine Zweifel. Die Kritik richtet sich dagegen, dass Castaner als „His Master’s Voice“die Anhängerschaft des Präsidenten nach dessen Vorstellungen ausrichten und ihre Struktur in bisher ungekannte Formen einpassen soll.
„Wir sind keine Partei im herkömmlichen Sinn“, hatte Macron bei der Gründung im April 2016 erklärt. Ihr beitreten kann jeder, der sich unter Angabe seiner Personalien per Internet anmeldet. 383.000 Mitglieder weist LREM offiziell aus. Nachprüfbar ist das nicht. Allein 160.000 sollen nach Macrons Wahl zu der „Bewegung“gestoßen sein. Sie wäre damit weit vor den konservativen Republikanern und den Sozialisten sowie der rechtsradikalen Nationalen Front und der linkspopulistischen Partei „Das aufsässige Frankreich“stärkste politische Kraft im Land. Mitgliedsbeiträge werden keine verlangt. LREM finanziert ihre Arbeit mit den öffentlichen Zuwendungen, die sie wie die anderen Parteien entsprechend ihrer Wählerstimmen erhält. Das verleiht der Mitgliedschaft ein unverbindliches, jederzeit per Mausklick aufkündbares Engagement, das aber auch – bisher jedenfalls – von Einsatzbereitschaft zeugt, die sich vor allem in den Aktionen ihrer 3850 lokalen Komitees manifestiert. Sie werden von „Referenten“geleitet, Ehrenamtlichen oder Teilzeitbeschäftigten, die von der Zentrale in Paris ernannt werden und Bürgerinitiativen von der Nachbarschaftshilfe bis zur Integration von Migranten betreuen. In Lyon leitet die Frau von Macrons Innenminister Gérard Collomb ein solches Komitee. Für in der Basisarbeit unerfahrene Marschierer gibt es unter Anleitung des amerikanischen Professors Lex Paulson Lehrstunden, in denen Ideen und Handwerkzeug für zivilgesellschaftliches Handeln vermittelt werden.
Der Vorwurf mangelnder innerparteilicher Demokratie aber klingt plausibel und könnte LREM schaden. Schon bei der Verabschiedung der Parteistatuten hatte es im Sommer Proteste gegeben. Sie waren von der provisorischen Führung ausgearbeitet und dann per Internet bei einer Beteiligung von 32 Prozent der Mitglieder mit 90 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden.
„Wir sind keine Partei alten Typs.“Emmanuel Macron, Frankreichs Präsident