Wende im Prozess um Kopfschuss
Laut Gutachten kann der Angeklagte gar nicht geschossen haben.
Damit hätte wohl niemand gerechnet: Am Montag muss sich am Landesgericht Wien ein 28-jähriger Mann wegen Mordes vor Geschworenen verantworten, weil er am 16. April 2017 in der Jägerstraße in Wien-Brigittenau einen Bekannten per Kopfschuss vorsätzlich getötet haben soll. Wenige Tage vor der Verhandlung gibt es unvorhergesehene Entwicklungen. Beim Angeklagten handelt es sich möglicherweise gar nicht um den Schützen. Das legt zumindest das Gutachten des ballistischen Sachverständigen Ingo Wieser nahe, das der Vorsitzende Richter Georg Olschak hat einholen lassen. Für Wieser, der die Tatwaffe eingehend untersucht und auch Falltests durchgeführt hat, ist eine Schussauslösung durch einen Schlag „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen“, wie es in seinem Gutachten heißt.
Der Sachverständige kommt zum Schluss, dass der Schuss auf einer Entfernung von mindestens eineinhalb Metern abgegeben wurde, wobei Wieser davon ausgeht, dass das Opfer zum Zeitpunkt der Schussabgabe auf dem Boden lag, seinen rechten Arm abwehrend hob und der vor ihm stehende Schütze schräg nach unten feuerte. Am Gewand des Angeklagten, das dieser am Tatort trug, konnten keine Schmauchspuren gefunden wurden.
Der Verteidiger des Angeklagten, Werner Tomanek, meinte: „Hier habe ich einen angeblichen Täter, der sich freiwillig stellt und wo sich dann herausstellt, dass er es wahrscheinlich nicht war.“