Xundheit, Andy!
Die Galerie WestLicht präsentiert einen Mythos der Fotografiegeschichte. Dank Polaroid konnte man den Fotos beim Entwickeln zuschauen, doch die visionäre Technologie hielt sich nicht lang.
Sogar in den Geburtskliniken erfreute sich die Technologie großer Beliebtheit. Zahlreiche Neugeborene wurden geknipst, man erhielt die Aufnahmen nur Minuten später. Denn eigentlich konnte man sogar zuschauen, wenn sich auf dem weißen Papier langsam Konturen entwickelten und letztendlich das Babygesicht da war. Das ist natürlich nur ein Beispiel, wie weit es die visionäre Technologie der Polaroid-Fotos gebracht hat. Billig war es nicht gerade, aber die berühmten SX-Schnappschüsse mit dem weißen Rahmen im Format 8,8 mal 10,7 Zentimeter waren gesucht.
Von Beginn an sprangen Künstler auf die Technologie an, die ihnen quasi ein neues Werkzeug in die Hand gab. Polaroid förderte das Interesse, als das Unternehmen Formate entwickelte, welche bis zum detailreichen Großformat 50 mal 60 Zentimeter anwuchsen. Besonders unter jungen Leuten war die Sofortbildfotografie beliebt, aber auch Künstlerprominenz wie Andy Warhol begeisterte sich für Polaroid und entwickelte damit sogar eine eigene Ästhetik.
Einer der Säulenheiligen der amerikanischen Landschaftsfotografie, Ansel Adams, beriet den Polaroid-Chef persönlich. Dazu muss man wissen, dass am Anfang der Geschichte die Polarisationsfolie stand, für welche der Physiker Edwin Herbert Land 1933 ein Patent erteilt bekam. 1972 präsentierte Land auf einer Generalversammlung, wie er mit einem neuen Kameramodell innerhalb von zehn Sekunden fünf Bilder belichtete, die sich binnen vier Minuten selbst entwickelten. Bereits 1972 erschien das System SX-70 auf dem Markt, die Sofortbildkamera wurde weltweit zum Verkaufsschlager.
Künstler bedienten sich des Großformats für raffinierte Studioinszenierungen, für Stillleben und Porträts, die Natur faszinierte Größen wie Robert Rauschenberg oder Erwin Wurm. Der Steirer ist neben Gottfried Helnwein auch der einzige Österreicher in der Polaroid-Ausstellung in Wien. 2010 ging Polaroid spektakulär pleite, woran nicht nur die Digitalfotografie schuld war, von deren Ausmaß wohl nicht einmal Steve Jobs ahnte. Der europäische Teil der Polaroid-Sammlung wurde von Peter Coeln und WestLicht vor dem Ausverkauf gerettet und für die Ausstellung mit dem amerikanischen Teil zusammengebracht. 200 Polaroids von rund 100 Fotografen und Künstlern wie Robert Mapplethorpe, Andy Warhol oder David Hockney bilden eine faszinierende Schau, die hoffentlich nicht den Schlusspunkt der Geschichte des WestLichts darstellt.
Bis Ende März sei die Finanzierung gesichert, sagt Peter Coeln, der ob der Hinhaltetaktik des Mehrheitseigners Leica auf Bund und Stadt Wien hofft. Mit 350.000 Euro pro Jahr wäre der Betrieb gerettet, angesichts der kulturpolitischen Baustellen ist das Schicksal von WestLicht offen. Es gibt eine Online-Petition für den Fortbestand, die aktuell 13.000 Menschen unterzeichnet haben. Coeln sieht auch einen Bildungsauftrag, denn WestLicht zog gerade junge Leute an. Ausstellung: The Polaroid Project. WestLicht. Bis 25. 2. 2018.
Letztes Aufzucken des WestLichts?