Ein Konflikt von ORF und Zeitungen schadet Österreich
Medienpolitik darf sich nicht auf das Klein-Klein zwischen öffentlichem Rundfunk und privaten Verlegern beschränken.
„Wir erleben im Netz eine mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanzierte Flut textbasierter Gratis-Angebote, nichts anderes als eine gebührenfinanzierte digitale Staats-Presse, die den Wettbewerb verzerrt“, beklagt der Verlegerpräsident „mittelfristig eine lebensbedrohliche Schieflage gegenüber dem öffentlichrechtlichen Rundfunk“. Überdies sieht er einen „staatlichen Eingriff in den freien Lokal- und Regionaljournalismus“. Darauf antworten die Senderredakteure ihren Zeitungskollegen: „Wir fühlen uns diskreditiert, wenn Sie uns als Staatsfunk bezeichnen und uns damit unterstellen, dass wir uns politisch steuern lassen.“Also unterstreicht der Verleger seine Wertschätzung für die TV-Journalisten, erneuert aber seine Sorge um die strategische Ausrichtung ihres Arbeitgebers.
Dieser Schlagabtausch vollzieht sich in Deutschland, könnte aber auch in Österreich spielen. Fast. Verlegerpräsident Mathias Döpfner fordert eine Selbstbeschränkung der gebührenfinanzierten ARD im Internet. Sie solle wie das ZDF online auf Video und Audio setzen und den Anteil des Textes unter 30 Prozent senken. Hierzulande gibt es schon eine Streitbeilegung: Der ORF darf regional nur 80 Meldungen pro Woche ins Netz stellen, die ohne direkten Programmzusammenhang sind.
Medienpolitik steht auch in Österreich seit jeher für den Abgleich von Interessen des öffentlichen Rundfunks und der privaten Zeitungsverleger. Doch der eine (ORF) ist in den Fängen vor allem regierender Parteien und die anderen sind trotz Marktkonzentration ein heterogener Verband (VÖZ). Dazu kommen heute noch die Privatsender als Goldfische im Karpfenteich. Sie bringen infolge der Eigentümer von Puls 4, ATV und Servus TV starke Mitspieler in das überschaubare Getriebe – Europas zweitgrößte Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 und Dietrich Mateschitz, den Chef von Red Bull.
Diese Parteienstellung ist bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen um das Medienkapitel erst auf den zweiten Blick erkennbar. Für die ÖVP ist neben ihrem Wiener Obmann Gernot Blümel und Sebastian Kurz’ Pressesprecher Gerald Fleischmann Ex-VÖZ-Präsident Hans Gasser im Team. Die FPÖ vertritt neben Susanne Fürst und Hans-Jörg Jenewein vor allem ExVizekanzler Norbert Steger, ein aktueller ORFStiftungsrat. Sie tragen die Hauptverantwortung dafür, dass es künftig nicht mehr beim Klein-Klein zwischen ORF und VÖZ bleibt, sondern eine nationale Medienordnung entsteht, die Österreich identitätswahrende Chancen gegen die digitale Kolonialisierung durch Google, Facebook & Co. gibt. Das sind die wahren Gegner. Für den öffentlichen Rundfunk und die privaten Verleger. Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.