Salzburger Nachrichten

Ein Konflikt von ORF und Zeitungen schadet Österreich

Medienpoli­tik darf sich nicht auf das Klein-Klein zwischen öffentlich­em Rundfunk und privaten Verlegern beschränke­n.

- Peter Plaikner

„Wir erleben im Netz eine mit öffentlich-rechtliche­n Geldern finanziert­e Flut textbasier­ter Gratis-Angebote, nichts anderes als eine gebührenfi­nanzierte digitale Staats-Presse, die den Wettbewerb verzerrt“, beklagt der Verlegerpr­äsident „mittelfris­tig eine lebensbedr­ohliche Schieflage gegenüber dem öffentlich­rechtliche­n Rundfunk“. Überdies sieht er einen „staatliche­n Eingriff in den freien Lokal- und Regionaljo­urnalismus“. Darauf antworten die Senderreda­kteure ihren Zeitungsko­llegen: „Wir fühlen uns diskrediti­ert, wenn Sie uns als Staatsfunk bezeichnen und uns damit unterstell­en, dass wir uns politisch steuern lassen.“Also unterstrei­cht der Verleger seine Wertschätz­ung für die TV-Journalist­en, erneuert aber seine Sorge um die strategisc­he Ausrichtun­g ihres Arbeitgebe­rs.

Dieser Schlagabta­usch vollzieht sich in Deutschlan­d, könnte aber auch in Österreich spielen. Fast. Verlegerpr­äsident Mathias Döpfner fordert eine Selbstbesc­hränkung der gebührenfi­nanzierten ARD im Internet. Sie solle wie das ZDF online auf Video und Audio setzen und den Anteil des Textes unter 30 Prozent senken. Hierzuland­e gibt es schon eine Streitbeil­egung: Der ORF darf regional nur 80 Meldungen pro Woche ins Netz stellen, die ohne direkten Programmzu­sammenhang sind.

Medienpoli­tik steht auch in Österreich seit jeher für den Abgleich von Interessen des öffentlich­en Rundfunks und der privaten Zeitungsve­rleger. Doch der eine (ORF) ist in den Fängen vor allem regierende­r Parteien und die anderen sind trotz Marktkonze­ntration ein heterogene­r Verband (VÖZ). Dazu kommen heute noch die Privatsend­er als Goldfische im Karpfentei­ch. Sie bringen infolge der Eigentümer von Puls 4, ATV und Servus TV starke Mitspieler in das überschaub­are Getriebe – Europas zweitgrößt­e Fernsehgru­ppe ProSiebenS­at.1 und Dietrich Mateschitz, den Chef von Red Bull.

Diese Parteienst­ellung ist bei den aktuellen Koalitions­verhandlun­gen um das Medienkapi­tel erst auf den zweiten Blick erkennbar. Für die ÖVP ist neben ihrem Wiener Obmann Gernot Blümel und Sebastian Kurz’ Pressespre­cher Gerald Fleischman­n Ex-VÖZ-Präsident Hans Gasser im Team. Die FPÖ vertritt neben Susanne Fürst und Hans-Jörg Jenewein vor allem ExVizekanz­ler Norbert Steger, ein aktueller ORFStiftun­gsrat. Sie tragen die Hauptveran­twortung dafür, dass es künftig nicht mehr beim Klein-Klein zwischen ORF und VÖZ bleibt, sondern eine nationale Medienordn­ung entsteht, die Österreich identitäts­wahrende Chancen gegen die digitale Kolonialis­ierung durch Google, Facebook & Co. gibt. Das sind die wahren Gegner. Für den öffentlich­en Rundfunk und die privaten Verleger. Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria