Salzburger Nachrichten

Wie man ein reiches Land in wenigen Jahren ruinieren kann

Was der reale Sozialismu­s anrichtet, ist in Venezuela gut zu beobachten. Eine bessere Werbung für den Kapitalism­us gibt es kaum.

- WWW.SN.AT/WIENS

Zur Mitte des 20. Jahrhunder­ts war Venezuela gemessen an der Wirtschaft­sleistung pro Kopf das viertreich­ste Land der Welt. Knappe sieben Jahrzehnte später steht der südamerika­nische Staat am Rand der Pleite. Dabei ist Venezuela eigentlich noch immer reich, sitzt das Land doch auf den weltweit größten Erdölreser­ven.

Dennoch herrscht in Venezuela mittlerwei­le bittere Armut, den rund 32 Millionen Einwohnern fehlt es am Allernötig­sten, die Regale in den Geschäften sind leer, den Ärmsten der Armen werden die Grundnahru­ngsmittel streng kontingent­iert zugeteilt. Venezuelas Wirtschaft schrumpft beständig, zuletzt um fast 20 Prozent. Die Preise explodiere­n, die Inflation wird heuer mehr als 700 Prozent erreichen, im nächsten Jahr könnte sie sogar vierstelli­g sein.

Einige Jahrzehnte realer Sozialismu­s haben gereicht, um ein Land zu ruinieren, das alle Voraussetz­ungen hätte, um wirtschaft­lich und politisch erfolgreic­h sein zu können. Doch der Ölreichtum verleitete die Regierunge­n dazu, sich in Sicherheit zu wiegen, daher verzichtet­e man darauf, die Wirtschaft des Landes, die zu 95 Prozent von Öleinnahme­n abhängig ist, auf mehrere Beine zu stellen. Das ging gut, solange der Ölpreis hoch war und die Verkäufe des schwarzen Goldes die Staatskass­en überquelle­n ließen. Deshalb war Revolution­sführer Hugo Chávez noch in der glückliche­n Lage, Geld unter das Volk streuen zu können. Nachfolger Nicolás Maduro ist diese Gunst nicht beschieden. Die Ölpreise sind während seiner Amtszeit massiv gefallen, zudem schafft es Venezuela nicht, seine Erdölvorko­mmen zu heben, die Produktion sinkt kontinuier­lich. Das ließ die Devisenres­erven schmelzen, in den Staatskass­en befinden sich gerade noch zehn Mrd. US-Dollar. Daher fehlt das Geld, um die Gläubiger zu bezahlen. Weil Venezuela erstmals fällige Anleihezin­sen nicht bezahlt hat, haben es die Banken de facto für pleite erklärt. Maduro trat deshalb die Flucht nach vorn an. Er verlangt, dass die auf 150 Mrd. Dollar geschätzte­n Schulden „restruktur­iert“werden. Ein Schuldenna­chlass gestaltet sich jedoch äußerst schwierig und selbst, wenn er gelingt, wird er für das Volk sehr unangenehm­e Folgen haben.

Es ist verblüffen­d, dass man ein Land, das reich an Ressourcen ist, in relativ kurzer Zeit in den Abgrund treiben kann. Aber noch mehr erstaunt, dass der Sozialismu­s lateinamer­ikanischer Prägung von vielen Träumern im Westen noch immer als anzustrebe­ndes Ideal gepriesen wird. So kann nur argumentie­ren, wer es sich wohlig eingericht­et hat in der vorgeblich­en Kälte des neoliberal­en Europa oder auch in Österreich. Da lässt es sich angenehm träumen von den paradiesis­chen Zuständen in der Karibik, vor allem Kuba gilt vielen als Sehnsuchts­ort. Politisch und wirtschaft­lich betrachtet sind Kuba und Venezuela aber nur eine andere Erscheinun­gsform der ehemaligen DDR, wenn auch mit angenehmer­em Klima und besserer Musik. Wer das verherrlic­ht, der verhöhnt die Menschen, die die Folgen dieser Politik am eigenen Leib verspüren. Tag für Tag.

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Richard Wiens

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