Zwischen Umweltschutz und Geschäft
Projektbewerber wollen bei touristischen Großbauten stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Sie kritisieren eine Übermacht der Umweltorganisationen und wehren sich.
Nach längerer Vorbereitung hat Hannes Parth, der Vorstand der Silvrettaseilbahn AG in Ischgl, den Verein VitAlpin im Rahmen des Treffens der „Allianz Zukunft Winter“in Kaprun auch in Salzburg vorgestellt. Die offizielle Vereinsgründung ist für den 20. November vorgesehen.
Obwohl Parth auch als stellvertretender Obmann der Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich fungiert, soll der Verein kein Anhängsel der Seilbahnwirtschaft werden. Vielmehr will man als „positive und konstruktive Kraft“für die Menschen in den Alpen wirken.
Schon in der Gründungsphase haben sich Vertreter unterschiedlicher Branchen zum Verein bekannt. Denn VitAlpin will nicht nur die Stimme des Tourismus sein, sondern auch jene der Industrie, Gastronomie und anderer Wirtschaftszweige. Wie es gelingt, sich als reiner Vertreter von Wirtschaftsinteressen als Repräsentant der Bevölkerung in tourismusintensiven Alpenregionen zu etablieren, werden erst die nächsten Jahre zeigen.
Anstoß für die Vereinsgründung waren ständige Einsprüche von Institutionen wie dem Alpenverein oder international agierenden NGOs (non-governmental organizations bzw. Nichtregierungsorganisationen) gegen überwiegend von der Seilbahnwirtschaft betriebene Projekte gewesen. Den Umweltorganisationen soll ein Gegenpart als Vertreter der örtlichen Bevölkerung entgegengestellt werden.
Nicht alle Seilbahner sind über diese neu eröffnete Kampflinie glücklich. „Ich bin immer für frühzeitiges Involvieren aller in die Entscheidungsfindung, ehe es zu konkreten Projekten kommt. Wir sind am Kitzsteinhorn mit unserer interagierenden Vorgangsweise immer sehr gut gefahren“, sagt der Vorstand der Gletscherbahnen Kaprun AG, Norbert Karlsböck. Er führt dabei auch die anstehende Großinvestition von 81,5 Millionen Euro an, durch die bis Dezember 2019 das Gletscherskigebiet am Kitzsteinhorn mit dem Maiskogel in Kaprun über eine 12 Kilometer lange Kette verbunden werden soll. Ökologisch argumentiert wird mit reduziertem Verkehrsaufkommen ins Seitental. Wie gut hier das Verhältnis zu Naturschützern ist, dokumentiert eine Momentaufnahme: Die österreichischen Nationalparks trafen sich vergangenes Wochenende hoch oben am Gletscher zu ihrer Tagung.
Warum es nicht überall so friktionsarm abläuft, erklärt der Ischgler Vereinsgründer Hannes Parth im nachfolgenden Interview. SN: Was war der Anlass für Sie, sich so konsequent für die Gründung des Vereins VitAlpin einzusetzen? Hannes Parth: Wenn wir etwas planen, um den Tourismus in den Alpentälern voranzutreiben, dann sitzen uns sofort Vereinigungen und NGOs gegenüber, die mit ideologisch geprägten Ansagen für den alpinen Raum nur ein Ziel vor Augen haben: bremsen, zurückbauen und schließlich absiedeln. So hintertreiben sie die Investitionsentscheidungen in den Alpentälern. Die sind mächtig, erhalten viel Geld von der öffentlichen Hand und sitzen bequem in den Städten. Unter dem Mantel des Schutzes ruinieren sie die Regionen, während die in den Tälern fast ausschließlich vom Tourismus lebende Bevölkerung kein Sprachrohr hat. SN: Da fahren Sie ja heftige Geschütze auf. Welche Gruppierung will die Täler entsiedeln? Ich setze mich manchmal in Versammlungen der CIPRA (Commission Internationale pour la Protection des Alpes; Anmk.) hinein. Da brauchst einen starken Magen, um auszuhalten, was da so gesagt wird. Etwa, wie mir ein Kollege berichtete, dass man ein Tal wie das Paznaun dem Bär, Wolf und Luchs zurückgeben solle. Die 5000 Talbewohner (in Galtür, Ischgl, Kappl und See) könne man ja im Inntal ansiedeln. Das ist wohl die Spitze des Zynismus. SN: In Ischgl wurde das Projekt Piz Val Gronda nach Jahrzehnten Verzögerung schließlich doch noch genehmigt. Aber der Zusammenschluss von Kappl mit St. Anton am Arlberg dürfte an der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) scheitern. Wie will VitAlpin in diese Entscheidungsprozesse einwirken? Natürlich wollen wir Lobbying machen und auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen. Wir wollen einen NGO-Status erreichen, damit auch die Bevölkerung mit am Tisch sitzen kann. So wie der Alpenverein, CIPRA, Club Alpin, Mountain Wilderness, die Alpenkonvention und so weiter. Es steht ja nirgends, dass immer alle dagegen sein müssen. Es sind ja nicht immer UVPs, für die von Verhinderern bis zu 50 Gutachter beschäftigt werden. Es gibt auch kleinere Arbeiten, wo die gleichen Probleme auftreten. Natürlich wären wir künftig nur eine Institution mehr am Tisch, aber unsere Argumente müssen wenigstens gehört werden. Wenn wir den ÖSV und alle kleinen Vermieter mit an Bord haben, dann repräsentieren wir auch einige 100.000 Mitglieder. Früher konnte man gegenüber der Politik noch die Interessen der einheimischen Bevölkerung artikulieren, heute sind das unabhängige Verwaltungsgerichte, bei denen Beamte in Innsbruck oder Wien die Entscheidungen treffen. Die Politik hat sich dessen nicht ungern entledigt. SN: Nehmen wir das Beispiel Ischgl. Ist dort das Eigentum an den Bergbahnen nicht breit gestreut? Wir haben in unserem Betrieb 540 Mitarbeiter, davon sind 350 aus dem Tal. Und es stimmt, dass das Eigentum an der Bergbahn breit gestreut ist, fast jede Ischgler Familie ist beteiligt. SN: Dann ist doch die Bevölkerung als Projektbewerber ohnehin am Tisch vertreten? Aber mit VitAlpin könnten wir sichtbar machen, dass neben Bergbahninteressen die ganz persönliche Lebensqualität im Tal auf dem Spiel steht. Unsere Bevölkerung fühlt sich überfahren. Und es geht ja nicht nur um Ischgl, die Sorgen und Wünsche sind überall gleich. SN: Ist es geschickt, eine neue Front aufzubauen? Wir müssen die richtigen Worte finden. Denn uns geht’s um die Umwelt, das müssen wir besser verkaufen. Das Schlimmste finde ich ja, dass die Umweltorganisationen gern wirtschaftlich argumentieren, wo sie keine Ahnung haben. Etwa, dass Zusammenschlüsse von Skigebieten heute unwirtschaftlich seien. Im Gegensatz dazu wissen wir sehr gut, was Umweltschutz ist und auf welchem Ast wir sitzen. Da sind wir sensibel, wissen, wie wir unsere Heimat schützen. Nach 70 Jahren Tourismus gibt’s in Ischgl noch 60 Bauern und alle Almen. Ohne Tourismus gäb’s das alles nicht.