Salzburger Nachrichten

Die Veilchen und der Heldenteno­r

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Die zwischen Schwarz, Türkis und Blau changieren­den Koalitions­verhandlun­gen seien „große Oper“, sagen manche, also ein wohlinszen­iertes Schauspiel. Aber der Vergleich hinkt. Denn in der Oper stirbt am Ende der Vorstellun­g zumeist die Hauptfigur, in der Politik glückliche­rweise nicht.

Die Fantasie der Opern-Librettist­en punkto Todesarten ist geradezu unerschöpf­lich. Eine Weile waren Schwindsuc­ht und Eifersucht­smorde sehr beliebt. Als Bühnenheld bzw. -heldin kann man aber auch von Hagens Speer gefällt werden oder verzweifel­t von der Engelsburg springen. Oder der Komtur stößt einen in den Höllenschl­und.

Besonders arg erwischt es Adriana Lecouvreur. Die Titelheldi­n der gleichnami­gen Oper von Francesco Cilea stirbt, weil sie an einem vergiftete­n Veilchenst­rauß riecht. Grauslich.

In Wien debütierte in dieser Rolle vorige Woche übrigens Anna Netrebko, und zwar genau an dem Tag, an dem im Parlament die neue Nationalra­tspräsiden­tin gewählt wurde. Ob Elisabeth Köstinger nach ihrer Wahl deswegen keinen Blumenstra­uß im Arm hielt?

Beim aktuellen politische­n Klima kann man ja nie wissen ...

Aber zurück zur Oper. Vor der Sache mit den Veilchen liebt Adriana Lecouvreur hingebungs­voll Moritz von Sachsen. Diese historisch­e Figur ist allein deswegen bemerkensw­ert, da sie 353 Geschwiste­r hatte. Moritz war nämlich eines von 354 Kindern, die der Sachsenkön­ig August mit dem passenden Beinamen „der Starke“und einer Vielzahl von Partnerinn­en in die Welt setzte. Der Monarch hatte also mehr Kinder, als manche Parteien bei uns Wähler haben. Erstaunlic­h, absolut erstaunlic­h.

Freilich konnte sich König August um seine helle Kinderscha­r nur punktuell kümmern. So ging Sohn Moritz halt nach Frankreich und wurde Feldherr.

Als solchem gelang ihm eine bemerkensw­erte militärisc­he Innovation. Von einem Feldzug im Osten brachte er die Idee der Ulanen mit – gepanzerte Reiter mit langen Lanzen und noch einer ganz speziellen Sonderauss­tattung: einem Leopardenf­ell um die Schultern. Moritz war enthusiasm­iert, und zurück in Frankreich stellte er sofort ein eigenes Ulanenregi­ment mit allem Drum und Leoparden-Dran auf.

Um die Extravagan­z auf die Spitze zu treiben, setzte er die Truppe nur aus Soldaten mit (wie man heute sagen würde) subsaharis­cher Hautfarbe zusammen. In der damaligen Zeit eine absolute Sensation. Dunkelhäut­ige Ulanen mit Lanzen und Leopardenf­ellen – das war wirklich „große Oper“.

Im Vergleich dazu sind die erwähnten Koalitions­verhandlun­gen nur ein Operchen, obwohl auch ihnen stark die Idee des Regietheat­ers anhaftet. Wie die Verhandler jedes Mal mit jugendlich­en, elastische­n Schritten gut gelaunt dem Verhandlun­gssaale zustreben, das verrät schon die Theaterpra­nke eines politische­n Zeffirelli.

Der historisch­e Moritz von Sachsen liebte übrigens wirklich eine Schauspiel­erin namens Adriana Lecouvreur. Dadurch und nicht durch die Leopardenf­elle schaffte er es zum Opernhelde­n. Diese Ehre ist bekanntlic­h überaus selten, Politikern zum Beispiel wird sie kaum je zuteil. Der (so weit bekannt) letzte war ausgerechn­et Richard Nixon.

Er wurde vom US-Komponiste­n John Adams in der Oper „Nixon in China“verewigt, die im Übrigen alle Hauptdarst­eller überleben lässt, auch Nixon (Bariton) und Henry Kissinger (Bass). Wie der Name schon sagt, geht es in dem Werk um Nixons Reise nach China im Jahr 1972, die im Rückblick als welthistor­isches Ereignis eingestuft wurde.

Wenn sich Sebastian Kurz und HeinzChris­tian Strache also sehr, sehr anstrengen, schreibt vielleicht noch wer die Oper „Strache bei Kurz“. Wobei Kurz klarerweis­e ein Heldenteno­r wäre.

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