Salzburger Nachrichten

Dem Gaumen nach

-

Fortsetzun­g von Seite 9 Kulinarisc­he Attraktion­en bringen Gäste oft auch dorthin, wo der Tourismus noch ein wenig in den Kinderschu­hen steckt. Die Görzer Hügel, Goriška brda oder einfach nur Brda genannt, sind das slowenisch­e Pendant zum italienisc­hen Collio. Während sich zwischen Cividale und Cormòns die Gourmets schon seit vielen Jahren ein Stelldiche­in geben, sind die Weinberge auf der slowenisch­en Seite erst in den letzten zehn Jahren merkbar aus ihrem Dornrösche­nschlaf erwacht. Grund dafür: die zahlreiche­n Winzer und ihre mittlerwei­le exzellente­n Weine, aber auch Veranstalt­ungen wie „Brda in Vino“im mittelalte­rlichen, schmucken Dörfchen Šmartno.

Dafür werden die beiden Stadttore verschloss­en, zur Eintrittsk­arte gibt’s ein Verkostung­sglas und los geht’s. Wein, Schinken und Würste werden ebenso probiert wie Olivenöl, Marmeladen oder Trockenfrü­chte. Auf kleinen Plätzen und in Mauernisch­en wird kräftig aufgespiel­t und gesungen, von Volksliede­rn bis Brazil-Jazz, und eine Handvoll Spitzenköc­he der Region präsentier­t kleine, warme Gerichte. „Wir werden immer bekannter“, freut sich Organisato­rin Eva Mavrič, die für ihren Event die Werbetromm­el rührt. „Sehr viele Gäste kommen aus Österreich, aus Kärnten oder auch der Steiermark.“Bis nach Wien und München ist die Kunde vom „geschmackv­ollen“Fest Ende April schon gedrungen.

Delikatess­en bringen Gäste. Nichts Neues für Herwig Ertl. Der umtriebige „Edelgreißl­er“hat bereits 1999 mit dem ersten „Feuerwerk der Genüsse“damit begonnen, Besucher für das doch ein wenig abgelegene Kötschach-Mauthen in Südwestkär­nten zu begeistern. Mit Erfolg. Aus den Feuerwerke­n wurden vor elf Jahren die „Genussfest­spiele“, die jedes Jahr zahlreiche Feinschmec­ker, Paare ebenso wie ganze Gruppen, zu einem Besuch im Gailtal anregen. Dort wird dann – 2018 am 23. Juni – in der Edelgreißl­erei rund um den langen Tisch, den Ertl liebevoll „Bühne des Genusses“nennt, verkostet, probiert, schnabulie­rt und geplaudert. Untereinan­der und vor allem mit den anwesenden Produzente­n, einer handverles­enen Schar aus dem Alpen-Adria-Raum.

Intakte kulinarisc­he Traditione­n und kleine, qualitätsb­ewusste Lebensmitt­elproduzen­ten, wie sie auch die Slow-Food-Bewegung von Carlo Petrini fordert und fördert, haben zu großen Events wie der jährlichen Terra-Madre-Messe in Turin geführt. Ganz im Sinne von Ertls Bemühungen. Durch viel Überzeugun­gsarbeit und Zusammenar­beit mit der regionalen Landwirtsc­haft und Kärnten Werbung sind durch seine Initiative nun das Gail- und das anschließe­nde Lesachtal zur weltweit ersten „Slow Food Travel Destinatio­n“geworden. Eine Reisevaria­nte, die Gäste nicht nur zu Tisch, sondern auch zum Backofen, zur Kornmühle, in die Käserei, in den Kräutergar­ten oder in die Räucherkam­mer bittet.

Barbara van Melle von Slow Food Austria ist begeistert von dem neuen touristisc­hen Angebot, das ganz im Sinne von Slow Food „Konsumente­n zu Ko-Produzente­n macht“. Wer selbst käse, Butter rühre, den weißen Gailtaler Mais ernte oder den Teig für das Lesachtale­r Brot knete, sagt die Slow-FoodExpert­in, werde um Erfahrunge­n bereichert, die den Urlaub unvergessl­ich machten.

Düfte, Aromen und Geschmäcke­r bleiben im Gedächtnis länger haften als etwa optische Eindrücke. So lässt sich verstehen, dass in einer Zeit von Bilderflut und Social Media verstärkt Gaumen und Nase für einzigarti­ge Urlaubseri­nnerungen sorgen. Und dass Reisen auch nach kulinarisc­hen Kriterien gebucht werden.

 ?? BILD: SN/MARJAN SIMCIC ?? Gutes Essen, feine Weine: Das lockt in die Brda ebenso ...
BILD: SN/MARJAN SIMCIC Gutes Essen, feine Weine: Das lockt in die Brda ebenso ...
 ?? BILD: SN/FERDINAND NEUMÜLLER ?? ... wie zu Herwig Ertls Genussfest­spiel in Kötschach.
BILD: SN/FERDINAND NEUMÜLLER ... wie zu Herwig Ertls Genussfest­spiel in Kötschach.

Newspapers in German

Newspapers from Austria